Sportrechtler Martin Nolte"Keine Herabsetzung von Caster Semenya"
Caster Semenya, Läuferin aus Südafrika, muss ihren Testosteronwert künstlich senken, wenn sie weiterhin als Frau in internationalen Läufen starten will. Die sogenannte "Testosteron-Regel" soll Chancengleichheit bringen, sagt der Leichtathletik-Weltverband. Daran gibt es viel Kritik. Doch praktische Alternativen zu der Regel sind derzeit nicht in Sicht, meint der Sportrechtler Martin Nolte.
Es gibt in der Leichtathletik Frauenwettbewerbe, und es gibt Männerwettbewerbe. Doch was, wenn jemand nicht in die Kategorie "Mann" oder "Frau" passt? So, wie die Sportlerin Caster Semenya: Die Olympiasiegerin sieht sich selbst als Frau, gilt aber als intersexuell veranlagt. Ihr Testosteronwert entspricht nicht der Norm. Und das Hormon Testosteron spielt eine große Rolle bei der Leistungsfähigkeit im Sport, unter anderem fördert es den Muskelaufbau.
Testosteron sorgt für höhere Leistung
Dass wir bei vielen Sportarten nach Männern und Frauen unterscheiden, liegt unter anderem daran, dass Männer einen hohen Testosteronwert haben und darum in der Regel höhere Leistung bringen können. Die Unterscheidung nach Mann und Frau im Sport sei tradiert, meint der Sportrechtler Martin Nolte. Gleichwohl gebe es auch andere Unterscheidungen, beispielsweise nach dem Alter oder nach dem Gewicht, wie beim Boxen oder beim Kraftsport.
Der Internationale Sportgerichtshof CAS hat nun aber diese Woche bestätigt, dass die sogenannte "Testosteron-Regel" des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF rechtens sei: Demnach sollen künftig nur noch Frauen mit einem Testosteronwert von maximal fünf Nanomol pro Liter über bestimmte Strecken (400 Meter bis eine Meile) starten dürfen.
"Nach der Entscheidung über Caster Semenya hat der Vorsitzende des Gerichts deutlich gemacht, dass man durchaus darüber nachdenken könnte, neben Männern und Frauen ein drittes Geschlecht einzuführen: Divers. Was in einigen Ländern ja mittlerweile auch im Personalausweis eingetragen werden kann."
Drittes Geschlecht im Sport?
Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule Köln sagt, das Gericht habe durchaus bemerkt, dass es für die Sportorganisationen möglich sei, eine dritte Kategorie neben "Mann" und "Frau" einzuführen. Doch realistisch betrachtet glaubt der Sportrechtler nicht, dass die Verbände wirklich darüber nachdenken: "Man muss sich vor Augen halten, dass das bisher eine relativ kleine Gruppe an Personen ist", meint er. In den nächsten Jahren werde es da vermutlich keine Veränderungen geben.
"Die Differenzierung ist ja nicht eine Herabsetzung von Caster Semenya, sondern sie dient dem Schutz auch der anderen Teilnehmerinnen an den Laufwettbewerben."
Das Urteil des Gerichts sei keine Herabsetzung von Caster Semenya, erklärt Martin Nolte. Und es sei aus seiner Sicht auch keine ethische, moralische oder philosophische Bewertung. Es gehe den Organisationen vielmehr darum, eine Chancengleichheit im Wettbewerb herzustellen, sagt er.
"Es geht bei den Sportorganisationen immer darum eine relative Wettbewerbsgleichheit herzustellen."
Sport darf differenzieren - muss aber nicht
Der Sport habe das Recht zu einer Differenzierung, um eine Wettbewerbsgleichheit herzustellen, erklärt Martin Nolte. Andererseits gebe es aber keine Pflicht, differenzieren zu müssen. Als Beispiel nennt der Sportrechtler Basketball: Dort werde nicht differenziert zwischen Spielern über und unter zwei Metern, auch wenn die Größe sicher einen Vorteil beim Spiel bringt: "Es kann aber nicht sein, dass einzelne Personen das Recht haben, eine neue Kategorie einzuführen."
Ärzte wollen Sportlerinnen nicht behandeln
Inzwischen hat sich auch der Weltärztebund WMA in die Diskussion eingeschaltet: Die Ärzte lehnen eine hormonelle Behandlung von Sportlerinnen ab, weil es große ethische Bedenken gebe. Der Vorsitzende Frank Ulrich Montgomery rief Ärzte weltweit dazu auf, sich zu weigern, Sportlerinnen hormonell zu behandeln.