LebensmittelausgabeJeder vierte Tafelkunde ist Rentner
Immer mehr Seniorinnen und Senioren holen sich ihre Nahrungsmittel bei Tafeln, bei sozialen Einrichtungen, die Essen und Getränke ausgeben, die sonst weggeworfen würden.
Deutschland ist ein reiches Land - trotzdem gibt es viele Menschen, die beim Einkaufen dreimal überlegen müssen, was sie sich zum Essen holen. Und diese Menschen werden immer älter.
Das Geld fehlt
Trotz eines langen Arbeitslebens reichen die Renten einfach nicht aus, um davon vernünftig leben zu können, sagt Jochen Brühl, Vorsitzender des Bundesverbandes der deutschen Tafeln. Das sei für viele ältere Menschen gerade in der Weihnachtszeit sehr bitter.
"Die Mieten, Nebenkosten und Lebenshaltungskosten sind im Verhältnis zu den Rentenerhöhungen sehr viel stärker gestiegen."
Er nennt klassische Beispiele, welche Menschen das Angebot der Tafeln annehmen
- Der Mann hatte ein geringes Einkommen und die Frau hat die Kinder großgezogen und muss mit 75 Jahren noch an vier Stellen putzen
- Die Alleinerziehende, die vier Kinder hat und vom Mann verlassen wurde, ohne Unterhalt zu zahlen
- Menschen aus bildungsschwachen Familien
"Zu uns kommt eine bunte Mischung von Menschen, die in unserer Gesellschaft abgehängt sind."
Die Organisatoren der Tafeln machen sich Sorgen über die steigende Zahl älterer Menschen, aber vor allem auch über die große Anzahl an Kindern und Jugendlichen, die kommen.
"Der Fehler liegt immer im System: Da, wo es viele Gewinner gibt, gibt es auch viele Verlierer."
Jeder vierte Tafelkunde ist Rentner – das sind 350.000 Menschen. Eine Lobby haben sie nicht. Und es sei auch sehr schwer, daran etwas zu verändern, sagt Brühl. Es handele sich um eine sehr heterogene Gruppe, die erst mal ihren Alltag gestemmt kriegen müsse.
Vereinsamte Menschen ohne Lobby
Die Menschen hätten keine Zeit, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren. "Wofür sollten sie streiken – und wer sollte davon etwas merken?" fragt sich Jochen Brühl. Hinzu käme, dass arme Menschen immer mehr vereinsamen.
"Sie trauen sich nicht, Menschen nach Hause einzuladen. Und sie haben kein Geld, irgendwo mal einen Kaffee trinken zu gehen."
Die Tafeln seien für viele der Besucher auch ein sozialer Ort – vielleicht sogar der einzige, an dem sie Menschen treffen können.
Das Problem betreffe große Städte, aber genauso auch ländliche Regionen, in denen die Betroffenen durch ein geringeres Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln sogar noch mehr eingeschränkt seien.