Sorge und TraumaMajid lebt in Angst um seinen Bruder im Iran
Majid hat früher selbst im Iran protestiert. Seit 2011 lebt er in Deutschland. Um seinen kleinen Bruder macht er sich große Sorgen, weil dieser im Iran auf die Straße geht. Psychiaterin Meryam Schouler-Ocak erklärt, was diese ständige Ungewissheit um Freunde und Verwandte mit uns machen kann.
2009 protestiert Majid in seiner Heimat Teheran im Iran gegen die damalige Wahl. Friedlich, sagt er selbst, sogar mit stillen Protestzügen. Dennoch kommt es zu Gewalt und auch Toten.
"An dem Tag wurden zwölf Menschen, die auf der Straße protestiert haben, getötet. Ich hätte einer davon sein können."
Majid kennt das Gefühl von Todesangst. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm ein Erlebnis: Er stand mit Freunden vor seinem Haus, als ein Motorrad mit Streitkräften auf sie zufuhr. Die anderen flohen in unterschiedliche Hauseingänge. Majid selbst versuchte, den Schlüssel ins Schlüsselloch zu bekommen, hinter ihm wurde mit einer Waffe auf ihn gezielt. Er schafft es schließlich unversehrt aus der Situation.
Was ein Trauma auslösen kann
Lebensbedrohliche Situationen haben das Potenzial, ein Trauma auszulösen. Psychiaterin Meryam Schouler-Ocak erklärt, dass der Begriff "Trauma" heutzutage allerdings sehr inflationär genutzt wird.
Wenn unser Leben bedroht ist, muss das nachträglich nicht zwangsläufig zu einer psychischen Störung führen, so die Expertin. Wichtig sei es jedoch, wie wir das Erlebte wahrnehmen und bewerten.
Eine posttraumatische Störung kann dann hervorgerufen werden, wenn
wir das Gefühl haben, die Kontrolle verloren zu haben und einer Situation
ausgeliefert zu sein.
Das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren
Unterschiedliche Sinnesreize, die wir mit dieser Situation verbinden, können uns dann an das Erlebte erinnern und uns immer wieder in diese Situation zurückwerfen.
Ein stabiles und verständnisvolles Umfeld, Bewegung und Strategien im Umgang mit Stress sowie eine Therapie können helfen, mit Traumata umzugehen, sagt Meryam Schouler-Ocak.
"Dann hab ich angefangen, mir twentyfourseven Sorgen zu machen und ihn alle paar Stunden angerufen. "
Auch wenn Majid stolz ist auf seinen Bruder und die anderen mutigen Menschen, die im Iran ihr Leben für eine bessere Zukunft aufs Spiel setzen, fürchtet er die Konsequenzen, die es für seine Familie haben könnte. Er konnte lange Zeit an nichts anderes mehr denken, erzählt er.
Heute hat er aber einen Weg gefunden, mit der bedrohlichen Situation für seine Familie umzugehen. Das funktioniert mit der Hilfe von Freunden, die er trifft, um sich nicht so allein zu fühlen. Morgens übt Majid Yoga und er versucht auch, seinen Nachrichten- und Social-Media-Konsum zu begrenzen.
"Wir empfehlen, nicht tagtäglich auf Social Media unterwegs zu sein, sondern sich sowas strukturiert und sortiert anzuschauen."