LandwirtschaftPestizid-Einsatz wird dokumentiert, aber die Transparenz fehlt
Witterung, Insekten, Tiere und Pflanzen – sie alle sind von Pestiziden betroffen und tragen auch zu deren Verbreitung bei. Und der Wissenschaft fehlen die Daten, um Risiken einzuschätzen und einzugrenzen.
Honig in Bio-Qualität klingt gesund und vertrauenserweckend. Stehen die Bienenkästen allerdings in der Nähe von Feldern, die konventionell bewirtschaftet werden, dann kann das der Grund dafür sein, dass der Honig ungenießbar wird.
Ein Imker klagt zurzeit gegen ein Agrarunternehmen am Landgericht Frankfurt an der Oder. 2019 hatte er Honig geerntet, der Rückstände des Unkrautvernichtungsmittels Glyphosat aufwies. In einer Charge, die rund eine halbe Tonne groß war, überstieg die Glyphosat-Messung den 152-fachen Wert des erlaubten Grenzwertes. Daraufhin wurden auch weitere Standorte von Bienenkästen getestet.
4,1 Tonnen Honig entsorgt
Insgesamt musste der Imkereibetrieb 4,1 Tonnen Honig wegkippen. Der Imker klagt, weil nicht er selbst das Pflanzenschutzmittel eingesetzt hat, sondern ein Agrarunternehmen benachbarte Felder damit bewirtschaftet hat. Noch in diesem Jahr will das Gericht klären, ob dieser Chemikalien-Einsatz vorschriftsmäßig abgelaufen ist.
"Es handelt sich eigentlich flächenmäßig um eine der größten Datenintransparenzen unserer Zeit."
Insektenforschern wie Thomas Hörren ist das Problem bewusst. Allerdings können Forschende kaum etwas dagegen tun, weil sie keinen Zugang zu Daten über den Einsatz von Chemikalien in der Landwirtschaft erhalten.
Dabei müssen diese genau von den Landwirten dokumentiert werden. Denn der Einsatz dieser Agrar-Chemikalien ist hierzulande genauestens reguliert. Das geht bei der Zulassung der Wirkstoffe los, bei der überprüft wird, wie gefährlich Pflanzenschutzmittel sind. Außerdem ist ein Landwirt oder eine Landwirtin dazu verpflichtet, sich regelmäßig im Umgang mit Pestiziden, Herbiziden und Fungiziden schulen zu lassen.
Genau reguliert ist außerdem:
- welche Menge der Mittel ausgebracht werden
- zu welchem Zeitpunkt sie genutzt werden dürfen
- wie oft sie eingesetzt werden dürfen
- in welchen Stadien der Kulturen sie angewendet werden dürfen
Zudem müssen die Aufzeichnungen für drei Jahre aufbewahrt werden. Das bestätigt auch Ellen Richter, die den Pflanzenschutzdienst der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen leitet. Mit zufälligen, unangekündigten Stichproben wird dann geprüft, ob sich die Landwirtschaftsbetriebe an die Vorgaben halten.
Mehr Transparenz: Forschende appellieren an Politik und Naturschutzbehörden
Forschende, wie der Insektenforscher Thomas Hörren, kritisieren, dass die Landwirte ihre ausführlichen Aufzeichnungen, wann und wie viel sie spritzen, nicht offenlegen müssen. Das ist für Wissenschaftler*innen, die sich für die Umweltauswirkungen der Agrar-Chemikalien interessieren, ein Problem.
Denn trotz aller Vorsichtsmaßnahmen bleiben die Pflanzenschutzmittel, die auf einem Feld gespritzt werden, nicht nur dort. Sie werden auf verschiedenen Wegen verbreitet: durch Witterung, durch mehrjährige Pflanzen, die auch schädliche Stoffe speichern und durch Insekten und Tiere, die Teile der Pflanzen aufnehmen oder verzehren.
"Das Problem ist ja grundsätzlich, dass wir überhaupt nicht wissen, wie groß das Problem ist. Die Wissenschaft bekommt solche Daten in der Regel nicht, also Anwendungs-Daten zu Pflanzenschutzmitteln."
Forschende könnten in Kombination mit Daten zum Wetter und zur Landschaft lokal berechnen, wie groß das Risiko ist, dass die Pflanzenschutzmittel vom Acker auf die naturgeschützten Bereiche geweht werden. Dazu müssten Landwirt*innen allerdings ihre Daten offenlegen. Dann wäre es möglich, gezielte Maßnahmen zu planen, um eine zu weite Ausbreitung von Pestiziden einzugrenzen.
Forschende könnten einschätzen, ob an einem bestimmten Ort eine ökologische Bewirtschaftung stattfinden muss, oder ob man dort Raum hat, um eine gewisse Pufferzone einzurichten, sagt Thomas Horren. Diese Pufferzonen könnten beispielsweise dafür sorgen, dass Pflanzenschutzmittel nicht in dem Schutzgebiet landen, sagt der Insektenforscher.
"Man wüsste dann, welche Stoffe wo und wie viel angewendet werden und kann diese dann bei Maßnahmen-Plänen für Schutzgebiete berücksichtigen.“