Agrarwirtschaft in Baden-WürttembergWo es beim Ökolandbau hakt
Weinanbau und Landwirtschaft in Baden-Württemberg sollen naturverträglicher werden – freiwillig. Eine konventionelle Winzerin und ein Landwirt sind wenig begeistert und erklären, was sie hier abwägen müssen.
Auch wenn es beim Wahlkampf in Baden-Württemberg besonders um die Covid-Pandemie geht, werden dort in den kommenden Jahren Artenschutz und Landwirtschaft eine besonders große Rolle spielen. Das Land hat im Sommer 2020 auf Druck von Umweltverbänden und Insektenschützern das bisher ehrgeizigste Naturschutzgesetz beschlossen. Bis zum Jahr 2030 sollen bis zu 40 Prozent der Landwirtschaft auf Ökolandbau umgestellt werden. Außerdem sollen 50 Prozent weniger Pestizide angewendet werden.
Wie dieses Ziel genau umgesetzt werden soll, ist unklar. Ein Umstieg von konventioneller Landwirtschaft auf ökologische ist nicht verpflichtend. Viele Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten und noch konventionell anbauen, werden umsteigen müssen. Wie das gehen kann, überlegen auch ein junger Ackerbauer und eine junge Winzerin. Unsere Baden-Württemberg-Korrespondentin Katharina Thoms hat sie getroffen.
Weinbau: Regeln und Vorschriften
Stefanie Vollert übernimmt mit 24 Jahren die 30 Hektar bei Heilbronn von ihren Eltern. Mit 16 hat sie ihre Ausbildung zur Weinbautechnikerin angefangen. Das sei ein Job voller Regeln und ständig wechselnder Vorschriften, sagt sie.
"Ich hadere jetzt schon manchmal. Ja, was könnte ich stattdessen machen? Mir fällt nicht so viel ein. Grad ist einfach der Weinbau das, wo mein Herz schlägt."
Sie baut bislang konventionell an. Zwar pflanzt sie auch Blühstreifen, bekämpft Insekten mit Bio-Lockstoffen. Aber komplett umstellen auf Ökolandwirtschaft möchte sie nicht. Das sei nicht wirtschaftlich.
"Ich habe mehr Aufwand im Bio. Krieg aber für meinen Wein oder Kartoffeln nicht so viel mehr – also, dass sich der Aufwand lohnt."
Niemand wird mit dem neuen Gesetz gezwungen, auf Biolandwirtschaft umzusteigen. Gut so, sagen Expertinnen und Experten. Mit Zwang funktioniere das auch nicht. Aber 40 Prozent bis 2030 sind ein ehrgeiziges Ziel, vor allem beim Blick auf die letzten zehn grün-regierten Jahre in Baden-Württemberg.
Bioumstellung: Die Rahmenbedingungen stimmen nicht
Der Ökoanteil in der Landwirtschaft ist von acht auf knapp 14 Prozent gewachsen. Für das Ziel von 40 Prozent sprechen sich in den Wahlprogrammen nur SPD und Grüne aus. Die CDU will eher die klassischen Familienbetriebe schützen. So einen betreibt Michael Kreß. Der 29-Jährige baut Getreide und Kartoffeln im Norden von Baden-Württemberg an. Auch ihm ist der Ökogedanke schon gekommen.
"Es ist jetzt kein Schritt, wo ich sagen würde, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ich kann mir das nur im Moment nicht vorstellen, unter den Rahmenbedingungen, die wir haben."
Er müsste viel zu weit fahren, um seine Kartoffeln an einen Biohändler zu liefern, sagt er. Das lohne sich nicht. Das Potential aber, um mehr Biolebensmittel zu verkaufen, sei da. Das zeigen auch aktuelle Studien.
Die Menschen haben währende der Covid-19-Pandemie häufiger regionale und Bio-Produkte gekauft. Deshalb sagen Expertinnen und Experten: Die Politik müsse vor allem in Beratung und Vernetzung von Handel und Erzeugern investieren. Seit drei Jahren gibt es Bio-Musterregionen, wo die Politik so etwas fördert.
Pestizide als Notwendigkeit
Das muss weiter ausgebaut werden, sagen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Umweltverbände. Sie fordern mehr finanzielle Unterstützung. Die Grünen haben das in ihrem Programm schon angekündigt. Nur so könne auch das zweite große Artenschutzziel erreicht werden. Denn Landwirte sollen bis 2030 auch nur noch die Hälfte der Pestizide einsetzen. Zwar beseitigt auch Michael Kreß, wo es nötig ist, Unkraut mit mechanischen Mitteln, dem Striegel zum Beispiel. Verzicht auf Pestizide sei aber eine riesige Herausforderung.
"Gerade bei Krautfäule. Was eigentlich bei der Kartoffel so die wichtigste Krankheit ist. Da muss ich da einfach Gewehr bei Fuß stehen. Dann ist es notwendig, da ein Pflanzenschutzmittel einzusetzen."
Michael Kreß macht aber auch ein paar Dinge wie die Ökokollegen: Er pflanzt Soja, weil dadurch der Boden mit dem nötigen Stickstoff versorgt wird. Ein natürlicher Dünger sozusagen.
Stefanie Vollert versteht auf der einen Seite nicht, warum das hochumstrittene und wahrscheinlich krebserregende Glyphosat verboten wird. Sie sagt, das Mittel sei notwendig, um am Weinstock Unkraut zu bekämpfen. Mit mechanischen Mitteln wäre das schwierig. "In der Reihe drin kann ich die pflügen, also umbrechen. Ich kann mit dem Mulchgerät durchfahren, wie mit dem Rasenmäher. Unter dem Stock geht es nicht. Oder nicht so einfach."
Skeptische Weintrinker
Mehr Handarbeit kostet mehr. Und das lohne sich dann wieder nicht, sagt Stefanie Vollert, deren Familie vom Weinbau lebt. Zwar gehöre sie nicht zu denjenigen, die blind alles totspritzen, sagt sie, und sie baue auch Alternativen an, die Frage sei nur, ob es sich lohnt, gibt die 24-Jährige zu bedenken. Die Leute seien bei neuen Weinsorten skeptisch.
"Ich setze zum Beispiel mehr pilzwiderstandsfähige Rebsorten ein, wo ich nur zwei Mal spritzen muss. Viele Leute wollen das nicht. Die kennen halt ihren Riesling und da wird der Riesling getrunken."
Stefanie Vollert will das weiter beobachten. Aber noch gefällt ihr einiges am biologischen Anbau einfach nicht. Beim Weinanbau sieht sie darin weder einen wirtschaftlichen Anreiz, noch das Allerbeste für die Natur. Sie müsse ihre Maschinen stärker einsetzen und fürchtet Schäden durch Erosionen.
"Ich habe viel mehr Überfahrten. Also mehr CO2. Dann probieren wir manchmal, was mechanisch zu machen, dass kein Unkraut kommt. Dann hab ich viel mehr offenen Boden, wo es zu Erosionen kommt."