Kritik an Essener TafelWie die Tafeln das Essensproblem lösen
Die Essener Tafel steht in der Kritik für ihre Entscheidung, nur Neukunden mit deutschem Pass aufzunehmen. Bei der Essensausgabe gibt es jedoch unterschiedliche Systeme - von Tafel zu Tafel.
Mittlerweile gibt es in Deutschland mehr als 930 gemeinnützige Tafeln, die von unterschiedlichen Trägern unterstützt werden. Der Großteil der Mitarbeiter sind Freiwillige. Das Ziel, Bedürftige durch Lebensmittelspenden zu unterstützen, ist allen Tafeln gemeinsam. Darüber hinaus gibt es aber unterschiedliche Organisationssysteme je nach Landesverband, Ort oder Einrichtung.
Wer kann zur Tafel kommen?
Wie die Tafeln festlegen, wer als bedürftig gilt, dazu gibt es leicht unterschiedliche Nuancen. In der Regel fallen darunter Menschen, die auf staatliche Transferleistungen angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten - also Hartz IV, Wohngeld oder Grundsicherung. Bei manchen Tafeln gibt es auch eine Einkommensgrenze. Mit einem Nachweis darüber bekommen die Tafelanwärter eine Art Ausweis. Damit sind sie berechtigt, kostenlos Lebensmittel zu erhalten.
In der Regel ist der Ausweis zeitlich begrenzt gültig. Wie lange, das kann unterschiedlich sein, beispielsweise zwischen sechs Monaten und zwei Jahren. Marianne Baldus von der Tafel in Bonn erklärt, warum dies so gehandhabt wird.
"Nach zwei Jahren ist in der Regel für alle Bezieher Schluss. Denn wir sagen, dass wir dann Platz machen wollen für neue Leute, die in ähnlich schwierigen Situationen sind und die Chance haben, zu uns zu kommen.“
Nach Angaben des Dachverbandes versorgen die Tafeln bundesweit rund 1,5 Millionen Menschen. Die Hauptkunden der Tafeln sind mit 53 Prozent Erwachsene im erwerbsfähigen Alter. Verdoppelt hat sich der Anteil der Renter mit heute 23 Prozent, stark angestiegen ist ebenfalls der Anteil an Kindern und Jugendlichen (24 Prozent). Ungefähr 60 Prozent der Kunden, so der Dachverband, haben keine deutsche Herkunft.
Wie wird die Ausgabe organisiert?
Deutschlandfunk-Nova-Reporter Sandro Schroeder hat die unterschiedlichen Landesverbände nach ihren Methoden befragt. Um einen großen Menschenandrang zu verhindern, wird bei einigen Tafeln beispielsweise auf dem Ausweis vermerkt, wann jemand sein Lebensmittelpaket abholen kann. In der Regel ist das einmal pro Woche möglich.
Auch durch Lossysteme soll eine Ausgeglichenheit hergestellt werden. In Magdeburg beispielsweise müssen sich die Kunden jeden Tag neu anstellen und zwei Lose ziehen, eins fürs Mittagessen, eins fürs Einkaufen. So hat jeder jeden Tag aufs Neue die Chance, mal der oder die erste zu sein. In Bonn gilt die Regel "Gut durchzählen", so Marianne Baldus von der Bonner Tafel. So würden die vorhanden Lebensmittel gerecht verteilt. Familien bekämen etwa entsprechend mehr als Einzelpersonen.
Was sagen andere Tafeln zur Kritik am Essener Modell?
Sollte es zu Engpässen kommen, sprechen sich die meisten (im äußersten Notfall) für einen allgemeinen Aufnahmestopp unabhängig von der Herkunft aus, berichtet Deutschlandfunk-Nova-Reporter Sandro Schroeder.
"Die meisten sagen aber auch, dass was Essen macht, verstöße gegen den vierten Tafelgrundsatz: 'Die Tafeln helfen allen Menschen, die Hilfe brauchen'."
Viele Tafeln, berichtet Sandro, kämpfen noch mit ganz anderen Problemen. Der Landesverband Bayern benötigt beispielsweise dringend freiwillige Helfer. Auch andernorts ist die Nachfrage größer als das Angebot. Oft gibt es Wartelisten, um einen der Ausweise zu bekommen, denn viele Menschen erfüllen das Kriterium der Bedürftigkeit.
Wer erstmals in einer Notsituation bei den Tafeln vorbeischaut, kann aber dennoch auf Unterstützung hoffen. Marianne Baldus von der Tafel in Bonn schickt in solchen Einzelfällen niemanden weg. Erst beim zweiten Mal muss man sich anmelden.
"Es kommt hin und wieder vor, dass jemand vor der Türe steht und sagt: Ich habe überhaupt nichts mehr zu essen. Ich weiß nicht, wie ich über die nächsten Tage kommen soll. In solchen Fällen machen wir Ausnahmen, da kann jemand ein Notfallpaket bekommen."