Krisen und KatastrophenWie wir unsere Gesellschaft krisenfester machen könnten
Klimawandel und Extremwetter, Pandemien, Kriege, aber auch die Stimmung in unserem Land – dies und mehr stellt unsere Gesellschaft auf die Probe. Wie könnte sie resilienter werden? Mit neuen Institutionen, sagt der Soziologe und Katastrophenforscher Martin Voss.
"Die Natur kennt keine Katastrophen – die Ursachen für dieses kollektive Scheitern liegen in der Gesellschaft", sagt Martin Voss, Leiter der Krisen- und Katastrophenforschungsstelle (KFS) an der FU Berlin. Naturereignisse werden demnach also nur zu Katastrophen, weil wir nicht angemessen damit umgehen. Oder wir produzieren Risiken selbst, die in Katastrophen enden – Umweltverschmutzung oder Klimawandel etwa.
"Die Krisen der Zeit haben etwas damit zu tun, dass wir nicht tun, was wir wissen."
Dabei mangelt es nicht an Wissen und auch nicht an technischen oder ökonomischen Mitteln, argumentiert der Soziologe. Das Problem sei: Das Wissen darum, wie wir eine bessere Welt gestalten könnten, wird nicht wirklich angewendet.
Arbeitsteilung als Hemmnis für Resilienz
Und das liegt, so Martin Voss, an der Struktur unserer Gesellschaft, an ihrer funktionalen Ausdifferenzierung und Spezialisierung. Das habe Vorteile, "wenn aber jeder nur das tut, was er oder sie am besten kann, ohne um sich zu blicken, dann entstehen über Jahrzehnte Lücken". Wenn man sich keiner alles zusammenhaltenden Moral, keinen Normen und Werten mehr verpflichtet fühle, dann reiße irgendwann das Netz, das alles zusammenhält.
"Wir leben in einer Gesellschaft, die funktional differenziert ist, in der die Handelnden erlernt haben, dass es richtig ist, sich ausschließlich auf das zu konzentrieren, was man am besten kann."
Diese Ausdifferenzierung aber sei nicht mehr geeignet, die komplexen Probleme der Gegenwart zu bewältigen. Lösungen, die Strukturveränderungen erfordern würden, hätten keine Chance – und seien sie noch so evident. "Unser Blick und unsere Antworten stammen aus einer anderen Epoche. Sie brauchen ein Update", so Voss in seinem Vortrag.
Den Horizont möglicher Lösungen mit neuen Institutionen erweitern
Wir müssen deshalb neue Instrumente finden, so der Schluss, neue Institutionen, um die Barrieren, die sich aus der Arbeitsteilung ergeben, abzubauen und den Weg frei zu machen für neue Perspektiven, neue Lösungsideen. Das Ziel: eine faire, lebenswerte und resiliente Gesellschaft, die besser gegen Krisen und Katastrophen gewappnet ist. Was dabei wichtig ist und wie die aussehen könnten, das erklärt Martin Voss in seinem Vortrag.
"Wie könnte ein lebenswertes Deutschland im Jahre 2050 wohl aussehen?"
Martin Voss studierte Soziologie, Psychologie und Pädagogik und promovierte mit einer philosophisch-soziologischen Arbeit zur Katastrophentheorie. Seit 2011 leitet er an der Freien Universität Berlin die Krisen- und Katastrophenforschungsstelle (KFS) und hat dort die Professur für Krisen- und Katastrophenforschung inne.
Seinen Vortrag "Krisen, Katastrophen, Zeitenwende - Neue Institutionen für eine resiliente Gesellschaft" hat er am 24. September 2024 im Rahmen der Reihe "Dialog im Museum" der Daimler und Benz Stiftung gehalten.