Flucht und VertreibungBöhmische Dörfer
Elkes Vater und ihre Großeltern sind aus einem Dorf in Böhmen geflohen. Über die Flucht weiß sie lange nichts. Dann hat sie sich auf die Spurensuche nach ihrer Familiengeschichte gemacht. Sie findet andere Vertriebene, die ihre Geschichte erzählen: von der Flucht vor den Russen, vertrieben von ehemaligen Nachbarn, von den Landsleuten im Westen geächtet.
Es beginnt mit dem alten Personalausweis von Elke Hofmanns Großmutter. Das Hakenkreuz ist mit Kuli übermalt, im Feld "Bemerkungen" prangt der Stempel: ODSUN. Das tschechische Wort für Abschiebung. Das Datum: 13. September 1946. Die Neugier der Reporterin ist geweckt. Sie macht sich auf die Spur ihrer Familie.
Němec ist der Deutsche
Nach Kriegsende beginnt in der Tschechoslowakei die Phase der "Wilden Vertreibungen". Besonders in Prag, aber auch in anderen Gegenden entlädt sich die Wut über die Unrechtstaaten des NS-Regimes. Alle Deutschen müssen eine weiße Armbinde tragen, auf der ein N steht - N wie Němec, Deutscher.
"Wir mussten innerhalb von 15 Minuten gehen. Ich bat dann, ob wir nicht wenigstens eine halbe Stunde zum Packen hätten. Die Antwort darauf war, dass ich eine mit der Peitsche über den Rücken bekommen habe."
In Kolonnen werden die Deutschen zu Fuß durch das Land getrieben. Wer kann, gibt sich als Tscheche aus - immer zu erkennen an einem Band in Rot-weiß-blau. Ohne diese Markierung wird es schwer für die Deutschen auf der Flucht, wohlmeinende Tschechen warnen: "Wenn Sie nach Prag kommen, haben Sie keine Chance, dort werden Sie erschlagen."
Kuschwarda heißt die tschechische Heimat von Elkes Familie, Sehnsuchtsort ihres Vaters. Heute ist er nur noch eine Erinnerung. In Zeiten des Eisernen Vorhangs lag Kuschwarda in einer Grenzzone, die weitgehend unbewohnt war. Die meisten alten Häuser wurden abgerissen. Elke macht sich trotzdem auf den Weg. Mit ihrem historischen Stadtplan geht Elke durch das Dorf. Die Straßen sind leer. Überall stehen neuere Gebäude, Spuren von früher gibt es auf den ersten Blick keine. Und dann entdeckt Elke das Hotel Paulik.
"Mein Herz klopft. Hotel Paulik! Das kenne ich aus den Erzählungen meines Vaters. Hier hat meine Oma damals Köchin gelernt. Ihr Kartoffelgulasch und die böhmischen Knödel waren in der Familie legendär."
Auf dem Rückweg zum Parkplatz sucht Elke noch dem alten Friedhof, auf dem ein Familiengrab stehen soll. Der Friedhof ist verschwunden. Und mit ihm das Familiengrab.