Krieg und HilfeSyrien helfen, aber nicht Assad
Millionen Syrerinnen und Syrer sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Doch Machthaber Baschar al-Assad schöpft einen großen Teil davon ab. Und auch aus Deutschland landet viel Geld direkt beim syrischen Regime – von syrischen Geflüchteten.
"Früher gab es eine Hoffnung, dass Assad weggeht und Demokratie herrscht. Jetzt gibt es keine Hoffnung mehr. Die Menschen haben aufgegeben", sagt Sulaiman Tadmory.
Er ist 2015 aus Syrien über die Balkanroute nach Deutschland geflohen und hat nach Integrationskurs und Weiterbildung ein Volontariat beim Norddeutschen Rundfunk absolviert.
Heute arbeitet er dort als Journalist und ist überzeugt, nur auf diesem Weg die Menschen in Syrien unterstützen zu können: Indem er ihre Geschichte erzählt.
"Man kann nichts machen. Wir sind machtlos. Die Welt unterstützt Assad direkt oder indirekt."
Seit 2011 herrscht in Syrien Bürgerkrieg – auch unter direkter und indirekter Beteiligung regionaler und überregionaler Mächte. Präsident Bashar al-Assad kann sich auch dank einer direkten russischen Militärintervention im Jahr 2015 im Amt halten. Unterdessen bekämpft die Türkei im Norden des Landes aktiv kurdische Gruppen. Nach Schätzungen sollen zwischen 580.000 und 620.000 Menschen im Syrienkrieg getötet worden sein.
"Ich denke an die schlimmsten Kriegsverbrechen seit 100 Jahren in Syrien."
Sulaiman Tadmory denkt an seine Freundinnen und Freunde, die durch Assads Bomben und Scharfschützen getötet worden sind. Er denkt an die Menschen, die vor zehn Jahren in syrischen Gefängnissen verschwunden sind, weil sie auf Demos waren. Er denkt an Frauen, die vom Assad-Regime gefoltert wurden und teilweise auch vergewaltigt. Er denkt an Kinder, die aus Rache von Geheimdienst getötet wurden.
Syrer zahlen 400 bis 800 Euro für einen Pass
Gerade ist auf einer Geberkonferenz für Syrien beschlossen worden, das Land 2024 mit humanitärer Hilfe in Höhe von 7,5 Milliarden Euro zu unterstützen. Immerhin ist das mehr als die 5,6 Millionen Euro im Jahr zuvor, sagt Syrienexpertin und Autorin Kristin Hellberg.
Das Problematische an der Syrienhilfe ist für sie, dass fast die Hälfte der UN-Gelder an Personen geht, die gute Verbindungen zu Kriegsverbrechern haben, zum Teil also an Menschen, die auch auf Sanktionslisten stehen, wie sie sagt.
"Das Assad-Regime hat die humanitäre Hilfe im Laufe der letzten Jahre mit großem Geschick in ein politisches Instrument verwandelt."
Das Assad-Regime schöpfe diese Hilfe ab und nutze sie auch für eigene Zwecke. Sowohl in den eigenen Gebieten als auch überall sonst, weil eben Assad auch entscheidet, was in den Gebieten ankommt, sagt Kristin Hellberg.
Nur die Provinz Idlib ist noch ohne den Umweg über die syrische Hauptstadt Damaskus zu erreichen. Und auch dort braucht es die Zustimmung des Regimes für die Nutzung von Grenzübergängen.
"Assad muss spüren, dass er abhängig von den Vereinten Nationen ist. Der könnte ohne die UN seine Bevölkerung überhaupt nicht versorgen."
Auf einem anderen Weg wird das Regime von Bashar al-Assad unmittelbar finanziell unterstützt. Syrerinnen und Syrer, die in Deutschland und anderen Ländern leben, sind häufig verpflichtet, einen aktuellen syrischen Pass vorzuweisen. Für Menschen, die in Deutschland leben, verlängert das Regime die Pässe in der Berliner Botschaft – für zwischen 400 und 800 Euro, sagt Kristin Hellberg.
Passpflicht als Problem
Laut der Kampagne #defundAssad nimmt das Assad-Regime auf diese Weise jährlich allein in Deutschland rund 100 Millionen Euro ein. Die Organisation hat zu der Sache ein juristisches Gutachten erstellt und fordert, dass Syrerinnen und Syrer grundsätzlich Reiseausweise für Ausländer erhalten.
Laut Kristin Hellberg ist für eine Änderung der Ausweispflicht für Syrerinnen und Syrer nur eine Anweisung des Bundesinnenministeriums erforderlich. Dafür brauche es keinen Bundestagsbeschluss, sagt sie. Sie stört insbesondere, dass es öffentliche Gelder sind, die dann direkt nach Damaskus fließen und erinnert daran, dass viele Syrerinnen und Syrer zum Teil Sozialhilfe oder Bürgergeld beziehen.
"Ich erwarte von der Bundesregierung endlich Entscheidungen, die verhindern, dass wir gezwungen sind, zur Botschaft zu gehen und dem Regime Geld zu zahlen."
Sulaiman Tadmory ist das Risiko eingegangen. Er hat ohne einen aktuellen syrischen Pass Asyl beantragt und ausnahmsweise auch erhalten.