Marien-Hospital WeselWenn Azubis die Stationsleitung übernehmen
Dienstpläne schreiben, Patienten versorgen, Rücksprache mit Ärztinnen halten: Die Azubis im Marien-Hospital Wesel waren einen Monat lang für eine ganze Station verantwortlich. Azubine Tamara fühlt sich jetzt fit für ihr Examen.
Tamara liebt ihren Job. Die 23-Jährige ist Krankenpflegerin in Ausbildung. In ihrem dritten Lehrjahr ist die Arbeit mit den Patient*innen zur Routine für sie geworden. Seit knapp vier Wochen hat sie deshalb eine neue Aufgabe: Azubine Tamara ist Stationsleiterin.
"Man arbeitet immer eng mit den Menschen zusammen. Klar, das sind Menschen, die Schicksale haben. Aber denen man das Leben schöner machen kann, denen man helfen kann."
Rollentausch für vier Wochen
Die Pflegeleitung übernimmt Tamara aber nicht, wegen des Personalmangels. Die Azubine und ihre Kolleg*innen nehmen für einen Monat an dem Projekt "Auszubildendenstation" teil. Das bedeutet: Tamara lernt, was es bedeutet, später einmal für die pflegerische Versorgung von bis zu zwanzig Patient*innen verantwortlich zu sein. Sie liegen auf der Station K3a im Marien-Hospital in Wesel. Die K3a ist die Station der Gefäßchirurgie. Hier werden Patient*innen mit teils schweren Erkrankungen der Arterien, Venen und Lymphgefäße behandelt.
Sie zu betreuen, ist für die Krankenpfleger*innen eine anspruchsvolle Aufgabe. Im Rahmen des Projekts übernehmen Tamara und die anderen Azubis der Station zusätzlich noch alle organisatorischen Aufgaben. Das heißt: Sie schreiben Dienstpläne, bestellen Verbandmaterial, koordinieren die Bettenbelegung, organisieren Entlassungen, halten Rücksprache mit Ärzt*innen, Physiotherapeut*innen, Angehörigen, dem Sozialdienst.
Supervision durch die Ausbilder
Wenn es zum Beispiel eine Frage zu der Operation eines Patienten gibt, sollen die Azubis erst mal eigenständig eine Lösung finden, statt die fertig ausgebildete Pflegefachkraft zu fragen. Die Ausbilder*innen haben die Lehrlinge aber immer im Blick, sind ansprechbar und greifen im Zweifelsfall ein – sie sind quasi die letzte Kontrollinstanz.
"Eine der Fragen, die wir uns zu Anfang des Projekts gestellt haben, war: Ist das ethisch überhaupt vertretbar, zu sagen, was wir den Patienten und den Azubis zumuten können?", sagt Sebastian van de Loo, Pflegemanager am Marien-Hospital. Er hat das Projekt mitorganisiert.
Die Azubis wurden deshalb ein halbes Jahr lang auf das Projekt vorbereitet, mit Schulungen und Vorträgen zu organisatorischen, technischen und medizinischen Themen. Dabei haben sie gelernt, wie eine Station funktioniert, welche organisatorischen Aufgaben sie im Hintergrund erledigen müssen, damit alle Patient*innen bestmöglich versorgt sind und der Betrieb läuft.
"Ich bin seit fünf Tagen bei dem Patienten. Ich weiß, wie ich mit ihm umgehen kann, wie ich mit ihm reden kann und ich weiß auch, dass es ihm hilft, die Hand zu halten, einfach kurz da zu sein."
Die Patient*innen haben vorab Info-Material bekommen und können über Fragebögen Rückmeldungen geben. Sie können auch jederzeit eine examinierte Pflegekraft einfordern. Ihr Wohlergehen steht bei dem Projekt an oberster Stelle. Ein 78-jähriger Patient ist mit Tamara und ihren Azubi-Kolleg*innen zufrieden: "Die Auszubildenden sind sehr kompetent und machen es sehr gut. Sie stehen den Erwachsenen in nichts nach."
Tamara merkt auch, wie viel sicherer sie in ihren neuen Aufgaben geworden ist. "Man fühlt sich gebrauchter, man fühlt sich besser, man fühlt sich auch viel sicherer für das Examen", sagt sie.
Projekte wie das im Marien-Hospital in Wesel gibt es in ähnlicher Form auch in vielen weiteren Krankenhäusern in Deutschland wie dem Uniklinikum Dresden, den Augustinus-Kliniken in Neuss oder dem St. Irmgardis-Krankenhaus im Kreis Viersen.