Polizei und ExtremismusKonfliktforscher: Rassismus kann man gut messen
Struktureller Rassismus in der Polizei ist für Horst Seehofer keine Untersuchung wert. Eine externe Studie ist für den Bundesinnenminister eine schwierige Sache. Für den Konfliktforscher Andreas Zick ist es genau umgekehrt.
Gefühlt im Wochentakt werden rassistische Äußerungen von deutschen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten und entsprechende Vorwürfe öffentlich. Die missbräuchliche Verwendung von Polizeidatenbanken zur Bedrohung und Einschüchterung ist im Zusammenhang mit den gut 100 Schreiben des sogenannten NSU 2.0 vielfach nachgewiesen. Vermutlich hat also die Polizei ein strukturelles Problem mit Rassismus, denken die einen. Horst Seehofer (CSU) widerspricht beharrlich.
Anfang Juli 2020 hat der Bundesinnenminister die systematische externe Untersuchung der Polizeibehörden auf rassistische Strukturen gestoppt. Stattdessen stellte er einen internen Bericht vor. Auch der Kriminologe Rafael Behr hat eine systematische externe Untersuchung der Vorwürfe mit dem Satz abgelehnt: "Wir können den Leuten nicht in den Kopf hineinschauen."
"Ich glaube, es gibt ein gesellschaftliches Interesse zu erfahren, ob Polizeien anfällig für Rassismus sind, ob das Strukturen bilden kann."
Von vielen Seiten wird dennoch eine wissenschaftlich fundierte, bundesweite Untersuchung der Polizei auf strukturellen Rassismus hin gefordert. Der Konfliktforscher Andreas Zick sagt klar: "Man kann Vorurteilsmuster messen. Da gibt es hinreichend Verfahren."
Neue Studie ohne Zusammenhang
Horst Seehofer hat in einer erneuten rhetorischen Wendung eine andere Studie angekündigt. Sie soll Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte untersuchen. Damit verdrehe er die Perspektive, sagt der Sozialpsychologe und weiter: "Das eine hat mit dem anderen relativ wenig zu tun."
"Mit dem eigentlichen Ziel, bei der Polizei Anfälligkeit für rassistische Einstellungen und für rassistische Strukturen zu untersuchen, kriegt man das schwer zusammen."
Dabei ist in kaum einer gesellschaftlichen Gruppe Rassismus ein so bedrückendes Phänomen wie in der Polizei. Sie soll schließlich alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen schützen und Gesetzesverstöße ohne Berücksichtigung von Herkunft und äußeren Merkmalen ahnden.
Im Rahmen einer systematischen Untersuchung der Polizeien lasse sich durchaus fragen, sagt Andreas Zick, ob Polizistinnen und Polizisten, die mit bestimmten Gruppen Gewalt erfahren, dann rassistische Muster ausbilden. Auch in dieser besonders sensibilisierten Situation lasse sich Rassismus empirisch nachweisen.
Normen spielen keine Rolle
Das gelte beispielsweise für Antisemitismus. Auch diese Einstellung lasse sich hinreichend mit verschiedenen Verfahren belegen, sagt Andreas Zick. Es spiele also auch bei der Frage nach rassistischen Vorurteilsmustern keine Rolle, dass die gesellschaftliche Norm momentan fordere, Vorurteile zurückzuhalten.
"Wir sehen aus der Forschung, dass Menschen, die vielleicht rassistisch orientiert sind, sich von solchen Normen, die gerade herrschen, nicht tangieren lassen."
Die undurchsichtige Nachrichtenlage zu der andauernden Diskussion um eine externe Studie zu strukturellem Rassismus in den deutschen Polizeibehörden haben wir in einem zweiten Gespräch mit Carolin Born aus dem Dlf-Hauptstadtstudio geklärt. Das ganze Gespräch könnt ihr mit einem Klick auf das Playsymbol anhören.
Dem Vernehmen nach habe sich die Koalition auf einen Rassismusbeauftragten bei der Polizei – SPD-Forderung – gegen weiterreichende Überwachungsbefugnisse der Geheimdienste – CDU/CSU-Forderung – geeinigt. Zur Studie sagt Carolin Born:
"Es wird, das hat Horst Seehofer klargestellt, keine Studie zu Rassismus bei der Polizei geben."