Konflikte, Kriege, MigrationWie der Klimawandel unsere Sicherheit beeinflusst
Die Erderwärmung zerstört Lebensgrundlagen, verursacht so mehr Migration und befördert Konflikte bis hin zu Kriegen. Die Sicherheit aller ist gefährdet, die Industriestaaten müssen Konsequenzen ziehen, sagt die Klimaforscherin Kira Vinke in ihrem Vortrag.
Familien, die in Slums wohnen, weil der Sturm ihr Haus zerstört hat. Eltern, die fernab ihrer Familien Arbeit suchen, weil der eigene Acker nicht mehr genug abwirft. Menschen, die ihr Land ganz verlassen, weil sie dort keine Zukunft mehr sehen. Und solche, die in Konflikt miteinander geraten, weil Ressourcen knapp sind.
Schon jetzt finden Migrationsbewegungen im Kontext von sich verändernden Umweltbedingungen statt, schon jetzt beeinflusst der Klimawandel Konflikte – und beides wird wohl zunehmen, sagt Kira Vinke.
"Man sieht, dass bestimmte Migrationsbewegungen schon jetzt im Kontext von sich verändernden Umweltbewegungen stattfinden."
Kira Vinke ist Politikwissenschaftlerin und Klimaforscherin, besser gesagt: Klimafolgenforscherin. Sie leitet das Zentrum für Klima- und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, ein Think Tank, der sich für eine nachhaltige deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik einsetzt.
Erderwärmung als Sicherheitsrisiko für alle
Kira Vinke selbst hat in ihrer Promotion Klimawandel und Migration, teils vor Ort, erforscht und mahnt, dass die 1,5-Grad-Grenze ebenso ein Sicherheitsrisiko darstellt – auch für die Menschen in Europa, in Deutschland.
In ihrem Vortrag erklärt sie anhand konkreter Zahlen und verschiedener Prognosen, wo wir derzeit stehen und welche Entwicklungen zu erwarten sind. So stellt sie etwa Berechnungen des Internal Displacement Monitoring Center zu Binnenvertreibungen vor. Demnach wurden im Jahr 2020 durch Gewalt und Konflikte knapp zehn Millionen Menschen neu vertrieben, durch Naturkatastrophen rund 30 Millionen.
Millionen Menschen auf der Flucht
Und das ist wohl erst der Anfang: Laut Modellierungen der Weltbank zu Binnenmigration durch Klimawandel, so zitiert sie, könnten es bis 2050 im schlechtesten Fall schon mehr als 210 Millionen Menschen sein. Die optimistischste Berechnung kommt auf immer noch über 48 Millionen Menschen.
"Die Genfer Flüchtlingskonvention definiert den Flüchtlingsbegriff über das Moment der Verfolgung, also politische Verfolgung oder eine anderweitige Verfolgung, als Grundlage für einen Anspruch auf Schutz. Dieses Moment ist im Falle von Klimafolgen eben nicht gegeben."
Kira Vinke beschreibt in ihrem Vortrag nicht nur Status quo und mögliche Entwicklungen, sie kritisiert dabei auch deutlich die westlichen Industriestaaten: Die nämlich – also wir – seien die Hauptverursacher massiver Klimaschäden. Darunter zu leiden hätten vor allem aber Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dafür müssen wir mehr Verantwortung übernehmen, sagt sie.
Das geht zum einen, indem Emissionen gesenkt werden. Aber auch, indem wir direkt Betroffenen einen besseren Schutz gewähren, wenn sie wegen der Klimafolgen ihre Heimat verlassen müssen. Denn: Für Klimaflüchtlinge gebe es bislang "keinen Anspruch auf Schutz, auf Asyl oder Ähnliches". Die Klimafolgenforscherin sieht darin eine Rechtslücke, die gefüllt werden müsse.
Mehr Verantwortung – auch zum Selbstschutz
Wie die Folgen genau ausfallen, auch eben in Sachen Sicherheit, hängt davon ab, wie sich die Emissionen entwickeln – genau kann das heute niemand sicher und seriös sagen. Sie werden aber spürbar sein, warnt die Vortragende. Und zwar nicht allein bei der Migration, sondern auch bei gewaltsamen Auseinandersetzungen, glaubt sie.
Der Klimawandel sei derzeit zwar kein alleiniger Grund für Konflikte, so Kira Vinke, aber er verschlimmere sie. Und künftige Interessenkonflikte wegen schwindender Ressourcen seien absehbar. Wenn wir uns unserer Verantwortung entziehen, so eine zentrale Message ihres Vortrags, dann schaden wir uns möglicherweise selbst.
"Es gibt einen gewissen wissenschaftlichen Konsens darüber, dass Klimafolgen sich auf gewaltsame Konflikte auswirken, also beispielsweise Konfliktkonstellationen verschärfen können."
In ihrem Vortrag mahnt Kira Vinke aber nicht nur mit düsteren Szenarien, sie stellt zum Schluss auch noch konkrete Environmental-Peacebuilding-Projekte vor, die etwas Hoffnung machen, indem sie zeigen, wie solche Folgen des Klimawandels – zumindest im Kleinen – abgefedert werden könnten.
Kira Vinke ist Politikwissenschaftlerin und hat an der Humboldt-Universität Berlin zum Thema Klimawandel und Migration promoviert. Für ihre Promotion hat sie 2019 den Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis bekommen. Heute leitet sie das Zentrum für Klima und Außenpolitik der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Außerdem ist sie Co-Vorsitzende des Beirats der Bundesregierung für Zivile Krisenprävention und Friedensförderung. Als Gastwissenschaftlerin ist sie außerdem am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) tätig, wo sie gearbeitet hat, bevor sie zur DGAP wechselte.
Ihr Vortrag "Klimasicherheit im Spiegel der deutschen Sicherheitspolitik" wurde am 24. April 2023 im Rahmen der Vortragsreihe "TU Berlin for Future – die Ringvorlesung zum Klimaschutz" aufgezeichnet.
Unser Bild zeigt eine Straße in Mosambik, Ostafrika, nach dem Zyklon Idai 2019. Bei der Naturkatastrophe sind mindestens 600 Menschen allein in Mosambik ums Lebens gekommen. Hunderttausende Menschen wurden obdachlos, Tausende Schulen zerstört. Mosambik ist vom Klimawandel stark betroffen und erlebt regelmäßig Zyklone, Überflutungen und Dürren.