KommunikationOhne Empörung kein Skandal

Damit wir von einem handfesten Skandal sprechen können, braucht es laut Kommunikationsexperten mindestens drei Dinge: eine Grenzüberschreitung, die Enthüllung und die Empörung.

Was ist eigentlich ein Skandal? Um einen Skandal ins Rollen zu bringen, braucht es zuerst die Überschreitung von Werten oder Normen, sagt Kommunikationsexperte André Haller. Eine Person oder eine Organisation muss etwas tun oder sagen, was viele Menschen als nicht richtig empfinden. Diese Grenzüberschreitung muss öffentlich sein, sodass sich viele darüber empören.

"In Deutschland geht es bei Skandalen häufig um die kollektive Identität. Es dreht sich dann um Grenzüberschreitungen, die die deutsche Vergangenheit im Blick haben - die NS-Diktatur oder die DDR.“
André Haller, Kommunikationsexperte

In den USA, erklärt André Haller, wo christliche Werte besonders ausgeprägt sind, werden Ehebruch oder sexuelle Verfehlungen als besonderer Vertrauensbruch gegenüber der Öffentlichkeit gesehen und so häufig zum Skandal. In Deutschland bringen es eher "handfestere" Themen - etwa Korruptionsaffären oder Dinge, die mit der kollektiven Identität der Deutschen zu tun haben.

Medien bringen den Skandal voran

Durch die Medien findet eine Skandalisierung viel schneller und weitreichender als früher statt, so der Experte. "Früher haben lokale Skandale nicht mal die Gemeindegrenzen überschritten. Heutzutage haben wir eine sehr schnelle Verbreitung – gepusht durch Social Networks."

André Haller sieht drei wesentliche Punkte, wie soziale Netzwerke die Skandalisierung verändert haben:

  1. Das Publikum kann selbst zum Skandalisierer werden, indem es eigene Inhalte erstellt
  2. Die Aufdeckungsarbeit erhält eine neue technische Infrastruktur
  3. Die Empörung erscheint zumindest größer
"Wenn Tausende Menschen von einem Schicksal betroffen sind und das in Social Media zeigen können, ist das erst mal positiv. Gleichzeitig führt es dazu, vorschnell Empörung kundzutun."
André Haller, Kommunikationsexperte

André Haller spricht von einer Grenzverschiebung und sagt: Wo früher noch Skandale entstanden, weil gegen Werte und Normen verstoßen wurde, findet heute zum Teil keine Empörung mehr statt: "Es hat den Anschein, dass die soziale Stärke mancher Normen jetzt ein bisschen bröckelt. Die AfD-Skandale von Politikern, die durch beleidigende oder radikale Aussagen bekannt wurden, zeigen, dass es nicht mehr zwangsläufig zum Ausschluss führt."

Werte und Normen verschieben

"Intendierte Selbstskandalisierung" nennt das der Experte. Der Begriff soll beschreiben, wie einzelne Personen gezielt versuchen, Werte und Normen der Gesellschaft auszutesten und langfristig zu verschieben.

Übrigens: Wer in einen Skandal verwickelt ist, der reagiert oft mit einer dieser drei Varianten: Schweigen, Abstreiten und Anschuldigungen umlenken. Keine der Methoden scheint aber sinnvoll, so André Haller. Sollten wir einmal in einen ordentlichen Skandal verwickelt werden, rät er: schnell und korrekt kommunizieren.

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