KörpergefühlWie uns Tanzen selbstbewusster macht
Anne kann sich einen Alltag ohne Tanzen nicht mehr vorstellen. Warum uns Tanzen gesünder, klüger und glücklicher macht, erklärt die Neurowissenschaftlerin Julia F. Christensen.
Das Tanzfieber hat Anne bereits als Kind gepackt. Schon als Dreijährige hat sie in einem Karnevalsverein in ihrem Heimatdorf mitgetanzt, sagt sie. Heute wohnt sie in Leipzig und tanzt seit sechs Jahren Dancehall, ein Streetdance aus Jamaika.
Zum Dancehall, einer sehr energetische und körperbetonte Form des Tanzens, ist Anne über einen Workshop gekommen, erzählt sie. Anne liebt es nicht nur für sich zu tanzen. Sie tanzt auch gerne vor anderen Menschen, "um ihnen damit eine Freude zu machen und sie zu motivieren", sagt sie. Selbst im Büro auf der Arbeit gehe es in kleinen Pausen öfters mal rund. Dabei ist es fast egal, wer ihr zuschaut: "Hauptsache, die Leute fangen an zu lachen und freuen sich".
Tanzen als Befreiungsschlag
Im Club, sagt sie, würden manche Männer sich fälschlicherweise direkt eingeladen fühlen, Frauen anzutanzen oder sogar anzufassen. Die Tanzschule schätzt sie daher auch als Safe Space, um Bewegungen frei ausführen zu können, ihren eigenen Körper als Frau zu entdecken und die weibliche Energie fühlen zu dürfen.
Tanz habe ihr auch sehr geholfen, eine Verbindung zu ihrem Körper und zu ihrer Sexualität zu bekommen. "Das ist ein ganz schöner Befreiungsschlag für mich gewesen", erinnert sie sich.
"Dancehall ist ein ganz schöner Befreiungsschlag für mich gewesen - da überhaupt erst eine mal eine Verbindung zu bekommen zu meiner Sexualität und zu meinem Körper."
Ob dicke oder dünne Menschen – Anne liebt ihre wundervolle Community, in der sie tanzt: "Man feiert einfach jede Frau!" Für Anne sei Tanzen deshalb auch wie eine Art Therapie. "Wie sehe ich gerade aus? Ziehe ich jetzt mein Bauch ein? Darf ich mir das mit meiner Figur überhaupt erlauben" – es ist so befreiend, über diesen gesellschaftlichen Druck nicht mehr nachdenken zu müssen, findet sie.
Tanzen ist Medizin
Julia F. Christensen war früher professionelle Tänzerin mit klassischer Ballettausbildung. Durch eine Verletzung konnte sie ihren Weg auf diesem Niveau leider nicht weitergehen.
Heute arbeitet sie als Neurowissenschaftlerin am Max-Plank-Institut für empirische Ästhetik. Das Tanzen hat sie als Leidenschaft für sich längst wiederentdeckt. Tanzen hat ihr bei der physischen und psychischen Genesung nach ihrem Lebensumschwung sehr geholfen, sagt sie.
Tanzen ist gut für Immun- und Hormonhaushalt
Beim Tanzen kämen drei wichtige Dinge für unsere Gesundheit zusammen: Bewegung, Musik und der soziale Aspekt. All das habe positive Effekte auf unseren Immun- und Hormonhaushalt. "Wenn man gemeinsam getanzt hat, kann man praktisch sagen: 'Ich hab dich gerade ein bisschen gesünder gemacht'", so die Neurowissenschaftlerin.
"Wenn man gemeinsam getanzt hat, kann man praktisch sagen: 'Ich hab dich gerade ein bisschen gesünder gemacht!'"
Gutes tun wir uns aber auch, wenn wir alleine im Club tanzen. Musik und Bewegung sind gegeben, zudem nimmt unser Gehirn die anderen Menschen wahr – besonders, wenn wir uns synchron bewegen, sagt Julia F. Christensen. Diese Co-Synchronisation führe dazu, dass wir emphatischer werden mit den Menschen um uns herum und fördere das Gefühl gemeinsamer Verbundenheit.
"Beim Tanzen gibt es eben ganz wichtige Effekte für unser Selbstbewusstsein. Wir treten auf einmal auf."
Beim Tanzen gehe es auch weniger darum, sich möglichst gut und professionell zu bewegen. Eher das Gegenteil sei der Fall: Vor allem der Hobbytanz, den man "nur" zum Spaß macht, bringe wunderbare Gesundheitseffekte.
Wie ihr tanzt, ist egal - Hauptsache: Tanzt!
Professionelles Tanzen sei dagegen oftmals auch mit Stress verbunden. Was zählt ist "das Raustanzen", meint Julia F. Christensen: "Das Verkopfte soll weg, Wettbewerb weg – einfach tanzen und abspacken... wunderbar!"