KörpergefühlWenn uns der Sommer unter Druck setzt
Yma hört auf der Straße regelmäßig abwertende Kommentare über ihren Körper. Das verletzt sie. Für Soziologe Friedrich Schorb ist Fat Shaming ein gesellschaftliches Problem. Und er betont: Es kann jeden treffen.
Eigentlich mag sie den Sommer richtig gern. Und sie liebt ihre Sommerkleider. Sie fühlt sich darin schön, allerdings nur zu Hause. "Wenn ich das Haus verlasse, überlege ich lange hin und her, was ich anziehen sollte", erzählt Yma. Denn auf der Straße bekommt sie fast täglich abwertende Kommentare oder Blicke ab. "Menschen schütteln bei meinem Anblick den Kopf, manchmal ruft jemand: Wie kann man nur so rumlaufen?!"
Hatekommentare auf Social Media und auf der Straße
Diese Kommentare und Reaktionen auf ihren Körper tun ihr weh. Meistens bin ich dann so getroffen, dass ich nichts sage, erzählt sie. Aber meine Freunde nehmen solche Kommentare und Reaktionen nicht einfach hin, sie stehen für mich ein.
"Ich hatte seit 20 Jahren keine kurze Hose an. Wann ich im Freibad war, daran kann mich nicht erinnern."
Wo sich Yma aber zeigt, ist im Internet. Auf Tiktok beschreibt sie sich selbst als "dicke Frau". Für sie ist das eine "neutrale Beschreibung". In ihren Videos geht es um Mode und damit auch um ihren Körper. Gehässige Kommentare gehen ihr hier aber nicht so nah wie im realen Leben.
"Ich spreche darüber, weil ich weiß, dass es viele Frauen gibt, die sich unwohl in ihrem Körper fühlen."
Das, was Yma erfährt, hat nichts mit ihr zu tun, das hat Fat Shaming grundsätzlich nicht, sagt Friedrich Schorb, Soziologe an der Uni Bremen. Was geschieht, ist, dass aufgrund der äußeren Erscheinung Schlüsse über eine Person gezogen werden. Eine verbreitete Überzeugung ist, dass eine dicke Person automatisch faul und unsportlich ist. Oft, sagt der Soziologe, wird auch eine angebliche Sorge um die Gesundheit von dicken Menschen vorgeschoben. Um die individuelle Person und darum, ob sie wirklich gesund ist, sich wohl fühlt, geht es dabei aber nicht.
"Wie meistens bei Diskriminierung – geht es auch bei Fat Shaming mehr um die eigenen Vorurteile als wirklich um die andere Person."
Der Soziologe erklärt, dass Fat Shaming jede*n treffen kann, unabhängig vom Gewicht. Er erklärt das so: Es kommt auf das Milieu, also die Menschen an, von denen wir umgeben sind. So können beispielsweise jüngere Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, trotz vergleichsweise niedrigeren BMI häufiger Fat Shaming erfahren als Menschen, die vielleicht schon etwas älter sind und in Kontexten unterwegs sind, in denen Körper nicht so stark und permanent bewertet werden.
Fat Shaming: kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem
Das geradezu Perverse an Fat Shaming ist, dass die Betroffenen es nicht richtig machen können. Wenn dicke Menschen in der Öffentlichkeit Sport treiben, werden sie lächerlich gemacht oder gehatet, erläutert Friedrich Schorb. Treiben sie hingegen keinen Sport, wird ihnen genau das vorgeworfen.
"Irgendwann kann ich hoffentlich sagen: Ich scheiß komplett darauf, was die anderen sagen."
Yma will nicht länger unter dem Druck stehen, anders aussehen zu müssen. Deswegen macht sie derzeit eine Therapie. Sie will resilienter gegen die Anfeindungen werden und sich wirklich annehmen. Friedrich Schorb hingegen sieht es als unerlässlich, dass Fat Shaming nicht als individuelles, sondern gesellschaftliches Problem erkannt wird. Das müsse auf mehreren Ebenen angegangen werden, angefangen bei jeder und jedem einzelnen von uns.