RekordtemperaturWasser im Nordatlantik so warm wie noch nie
Der Nordatlantik, das Meeresgebiet zwischen Grönland und Äquator, hat eine Rekordtemperatur erreicht: 23,1 Grad wurden zuletzt im Oberflächenwasser gemessen – eine Temperatur, die deutlich zu hoch ist für diese Jahreszeit. Wir klären, was das für Auswirkungen mit sich bringt.
Die Klimaerwärmung ist die wichtigste Ursache für die Erwärmung des Nordatlantik, erklärt Jule Reimer aus der DLF-Umweltredaktion – aber nicht die einzige:
- Klimawandel: Die Ozeane erwärmen sich heftiger als die Lufttemperatur an Land, weil sie – aus Sicht von uns Menschen fast glücklicherweise – 90 Prozent der Wärme aufnehmen, die wir mit unserem Ausstoß von Treibhausgasen verursachen.
- "El Niño": Das Wetterphänomen führt zu ungewöhnlich warmen Meeresströmungen im Pazifik. "El Niño" tritt in unregelmäßigen Abständen von durchschnittlich vier Jahren auf – aktuell ist das der Fall.
- Die Passatwinde, ein Windsystem unterhalb und oberhalb des Äquators, haben sich abgeschwächt.
- Weil Schiffe jetzt seltener mit Schweröl fahren dürfen, stoßen sie weniger Schwefel aus. Dadurch ist die Atmosphäre sauberer geworden, sodass mehr Sonnenstrahlung zur Wasseroberfläche durchdringt.
Hohe Meerestemperatur löst Kettenreaktion aus
Die erhöhte Meerestemperatur belastet das Ökosystem Nordatlantik und hat unmittelbare Folgen. Beispiel Kabeljau: Seine Eier gedeihen nur bei bestimmten Wassertemperaturen gut. Ihre Eier jetzt einfach in nördlicheren, kälteren Gewässern ablegen können die Fische aber auch nicht, weil die Kabeljaularven dort keine Nahrung finden.
"Andere Fischarten rutschen nach, etwa die Pazifische Auster. Die überwuchert aber Miesmuschelbänke und gefährdet dadurch die Ernährung der Vögel des Nordatlantik."
Insgesamt bringt das warme Wasser das Ökosystem durcheinander. Während es für einige Fischarten schwierig wird, ziehen die Temperaturen andere Arten an, erklärt Jule Reimer aus der Umweltredaktion des Deutschlandfunk: Sardinen oder Sardellen etwa, die es früher eher im Süden gab, oder Pazifische Austern. Die überwuchern jedoch die Miesmuschelbänke und gefährden dadurch das Nahrungsangebot der nordatlantischen Vögel, denn diese haben nicht die geeigneten Schnäbel, um die Austern zu knacken.
Außerdem bewirkt der erhöhte CO2-Gehalt des Wassers eine fortschreitende Versauerung des Meeres. Abwandern in Richtung Polarmeer ist für die Tier- und Pflanzenarten aber langfristig auch nicht die Lösung, denn die eiskalte Arktis erwärmt sich besonders schnell – und löst ebenfalls CO2.
Mehr Extremniederschläge
Die hohen Wassertemperaturen haben natürlich auch Auswirkungen auf uns an Land: Warmes Meerwasser bedeutet, dass auch mehr Wasser verdunstet und Wasserdampf – also Wolken – gebildet wird. Diese Wolken bringen dann wiederum mehr Regen. Extremniederschläge und Überschwemmungen sind mögliche Folgen, erklärt der Ozean- und Klimaforscher Stefan Rahmstorf.
"Schweizer Kollegen von der ETH Zürich haben gezeigt, dass von der zusätzlichen Verdunstung, die durch die Erwärmung von den Ozeanen entsteht, der größte Teil in Extremniederschlägen wieder runterkommt. Das könnte bedeuten, dass wir tatsächlich auch Überschwemmungsereignisse in Europa in diesem Sommer sehen werden."
Auch die Bildung von Hurrikans wird begünstigt. Wo und wann diese Extremwetter-Ereignisse stattfinden werden, lässt sich noch nicht voraussagen.
Tropische Meereszonen bald zu heiß
In den tropischen Regionen, wo es ja sowieso schon feuchter ist als bei uns und wo es tropische Wirbelstürme und Hurrikans schon lange gibt, haben die Extremwetter-Ereignisse ebenfalls an Intensität zugenommen: Sintflutartige Regenfälle haben fast ein Drittel Pakistans unter Wasser gesetzt. Auch die Philippinen sind sehr oft betroffen, sagt Jule Reimer.
"Die Flucht von Fischbeständen in kältere Gewässer hat fatale Folgen: Irgendwann sind die tropischen Meereszonen nämlich zu heiß – und dann auch leer."
Was die tropischen Meereszonen betrifft, gibt es allen Grund zu Sorge. Die Flucht von Fischen in kältere Gewässer hat nämlich fatale Folgen, so Jule Reimer: Irgendwann seien die tropischen Meereszonen einfach zu heiß – und dann auch leer.
Eine einigermaßen gute Nachricht zum Schluss: Im Winter (sofern wir denn einen richtigen Winter bekommen) wird sich der Nordatlantik wieder abkühlen. Außerdem werden – wahrscheinlich im nächsten Jahr – das Phänomen "El Niño" und auch die Auswirkungen der besonders schwachen Passatwinde wieder abklingen, vermutet Klimaforscher Stefan Rahmstorf.