KlimawandelHitzeperioden: "Viele sind leise vor sich hingestorben"
Durch die Hitze verstorbene Menschen, deren Leichen in Gemüsekühlhallen "zwischengelagert" wurden, weil man sie nicht schnell genug bestatten konnte – und wir haben das gar nicht wahrgenommen, sagt der Hydrologe Helmut Grüning. "Viele sind leise vor sich hingestorben." Geschehen im Großraum Paris schon im Jahr 2003. Grüning spricht auch über Hitzeschutzpläne – und hat noch Hoffnung.
Der Jahrhundertsommer 2003 mit Temperaturen in Europa bis zu 47,5 Grad ist 20 Jahre her. Die Sommer sind seitdem allerdings nicht dauerhaft kühler geworden. Im Gegenteil. Die Zukunft auch in Deutschland sieht düster aus, sagt Helmut Grüning. Denn die Auswirkungen der Klimakatastrophe seien bereits deutlich spürbar. Grüning illustriert in seinem Vortrag, was passiert, wenn wir weiterhin so untätig bleiben wie bisher.
Wie war es, als es vier Grad kälter war auf der Erde?
Um die aktuelle Lage zu veranschaulichen, blickt er auf den umgekehrten Fall: Man wisse sehr genau, wie die Erde ausgesehen hat, als es vier Grad kälter war als heute.
"Sämtliche Alpentäler waren mit Eis gefüllt. Der Norden Europas lag unter einer dicken Eisdecke, der Nordosten Deutschlands unter einem fünfhundert Meter dicken Eispanzer und der Meeresspiegel war 120 Meter tiefer."
Und er fügt hinzu: "Vier Grad Plus werden für die Menschen dramatisch sein." Nun ist selbstverständlich derzeit überhaupt nicht klar, bei wieviel Grad mehr wir am Ende genau landen werden, doch sind die Vorboten bereits erschreckend. In Deutschland wurden bereits über 40 Grad im Sommer gemessen, in Portugal sogar über 50.
Hitzefolgen könnten dramatisch enden
Solche Temperaturen sind für menschliche Körper nicht mehr auszuhalten. Deshalb gebe es in Deutschland bereits Hitzeschutzpläne. Ein Vorhaben daraus bestehe beispielsweise darin, Menschen künftig in Kinos zu evakuieren, damit sie überleben. Krämpfe, Hitzschläge, Kollapse, Dehydrierungen, Thrombosen, Nierenversagen, Hautkrebs: Alle diese Folgen zählt Grüning für das Leben in Zukunft detailliert auf.
Die gute Nachricht: Er präsentiert auch Hoffnungen. Viele Ideen seien auf dem Markt, um die Katastrophe mindern zu können. Jedoch mangele es derzeit an der Umsetzung. Und die Zeit läuft.
Helmut Grüning ist Dekan des Fachbereichs Energie/Gebäude/Umwelt an der Fachhochschule Münster. Seine Lehr- und Forschungsgebiete sind Stadthydrologie und Gewässerschutz sowie Wasserversorgung. Unter dem Titel "Hitze- und Überflutungsvorsorge. Eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung" hat er am 8. August 2024 für eine Reihe von Veranstaltern gesprochen, darunter die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirchengemeinde Essen-Altstadt und das Forum Kreuzeskirche.
Grüning ist einer der führenden Spezialisten im Bereich Klimafolgenanpassung. Anfang 2024 erhielt er für seine Entwicklungen den renommierten Seifritz-Preis, der für Innovations- und Technologietransfer verliehen wird.
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