Klimagewinner in KölnDer nördlichste Olivenhain Europas
Durch den Klimawandel verlieren wir alle. Alle? Fast. Es gibt auch Gewinner: In Köln ist der wohl nördlichste Olivenhain Europas entstanden. Als Michael Becker und Stephan Marzak vor über fünfzehn Jahren die Idee hatten, hier Olivenbäume anzupflanzen, wurden sie ausgelacht. Aber es hat geklappt.
Eigentlich ist so ein Olivenbaum ein ziemlich genügsames Gewächs. Er braucht kaum Wasser, keinen sonderlich guten Boden und er erträgt selbst größte Hitze stoisch. Bis zu 1.000 Jahre alt und 16 Meter hoch kann er werden, seine Wurzeln reichen bis zu sechs Meter in die Tiefe. Nur eines kann er gar nicht gut ab: Kälte. In der Kölner Bucht, im Winter eine der wärmsten Ecken in Deutschland, da fühlt er sich aber offenbar wohl mittlerweile.
"Dass die Pflanzen hier gedeihen und wachsen und Früchte tragen, das ist schon eigentlich sensationell. Da hätte, glaube ich, vor zwanzig Jahren kein Mensch drüber nachgedacht."
Anfangs war er sich selbst nicht sicher, dass das klappen könnte, erzählt Michael Becker. Aber er war optimistisch: "Wenn wir doch keine kalten Winter mehr kriegen, warum sollen wir es nicht versuchen?", sagte er sich damals. Dass aus den Bäumchen, die er dann mit seinem Mitstreiter Stephan Marzak anpflanzte, tatsächlich in so wenigen Jahren so große Bäume wurden, das war wunderschön anzusehen, erzählt er begeistert, und klingt dabei selbst noch immer überrascht und erstaunt.
"Ich habe immer noch den Wunsch und den Traum und das Ziel, in den nächsten Jahren Olivenöl zu pressen. Aber ich glaube, das ist noch ein bisschen Zukunftsmusik."
Zwar sind die Bäume gewachsen, das eigentliche Ziel aber, nämlich eigenes Olivenöl herzustellen, ist nicht erreicht – noch nicht jedenfalls. Denn die Menge an Früchten, die bislang geerntet werden konnten, reichte für die Ölmühle noch nicht aus. Michael Becker hält an dem Traum aber fest – auch wenn er weiß, dass das noch "Zukunftsmusik" ist, wie er schmunzelnd zugeben muss. Aber vielleicht reicht es ja bald doch mal für eine exklusive Charge "Olio de Cologne".
Damit das klappt, müssen allerdings viele Faktoren stimmen, erklärt er: "Der Winter darf natürlich nicht kalt werden, er darf aber auch nicht zu lang werden, damit die Blüten rechtzeitig blühen und befruchtet werden, und dann dementsprechend auch im Oktober oder November geerntet werden können."
Dank Klimawandel: Olivenbäume gedeihen immer weiter nördlich
Michael Becker und Stephan Marzak sind nicht die einzigen, die in Nordeuropa Oliven anbauen. Auch in Großbritannien gibt es Pflanzungen. Tatsächlich gibt es auch dort Olivenbauern, die für sich reklamieren, die nördlichsten Haine Europas zu betreiben. Wer da nun auch Recht haben mag – belächelt werden sie alle nicht mehr. Selbst die Rückversicherung Munich Re empfiehlt mittlerweile Landwirten in Brandenburg, Olivenbäume anzubauen. Angesichts der kalten Winter dort hält Michael Becker das aber für riskant.
Bei aller Freude über mögliches regionales Olivenöl: Auch wenn es einzelne Gewinner des Klimawandels gibt, es gibt doch mehr Verlierer. Die Fichten zum Beispiel leiden extrem, berichtet Michael Becker, der eigentlich eine Baumschule betreibt. Sie kommen mit der Hitze nicht zurecht und können sich nicht mehr gegen den Befall mit Borkenkäfern wehren. Ganze Wälder sterben derzeit ab.
Klimawandel: Mehr Verlierer als Gewinner
Auch ältere Laubbäume kommen nicht gut mit der warmen Witterung klar. Das Obst an den Obstbäumen ist ebenfalls beeinträchtigt; durch die Hitze entstehen Brandschäden auf den Früchten, erklärt Michael Becker. Und auch Moorbeetpflanzen wie der Rhododendron, die gerne feucht stehen und eher in Norddeutschland beheimatet sind, tun sich in den letzten zwei Jahre sehr schwer, zählt er weiter auf.
"Die Pflanzen, die immer hier waren, dass die auch wirklich hier bleiben können, das ist schon das Wichtigste."
Was wir auch nicht vergessen dürfen, so Becker: Die milden Winter führen dazu, dass Schädlinge nicht mehr auf natürliche Weise dezimiert werden. Aktuelles Beispiel: Der Borkenkäfer vernichtet derzeit ganze Fichtenwälder in Deutschland. Und auch die Rose besipielsweise, die die Wärme ja eigentlich eher mag, hat dadurch mit mehr Blattläusen zu kämpfen.
Auch wenn sein Traumbaum nun vor der eigenen Haustür wächst, den Klimawandel begrüßt Michael Becker deshalb trotzdem nicht.