Kölner ErzbistumMissbrauchsvorwürfe: Wo bleibt die Aufarbeitung?

In der Aufarbeitung der Vorwürfe über sexuellen Missbrauch innerhalb der katholischen Kirche steht der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki seit Wochen scharf in der Kritik. Versprechen würden nicht eingehalten, so heißt es. Deutschlandfunk-Redakteurin Christiane Florin bezeichnet es als Aufarbeitungssimulation. Woelki sei damit nicht alleine.

2010 wurde über die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs durch deutsche Amtsträger der katholischen Kirche zum ersten Mal breit in der Öffentlichkeit gesprochen. Seitdem recherchiert die Journalistin Christiane Florin aus der Deutschlandfunk-Redaktion "Religion und Gesellschaft" zu dem Thema. Dass es sich bei den Vorwürfen um Einzelfälle handelt, habe sie damals schon nicht geglaubt.

Zehn Jahre später sind die Missbrauchsvorwürfe nicht verstummt. Gerade steht das Kölner Erzbistum um seinen Kardinal Woelki im Mittelpunkt der Vorwürfe. Er hat 2018 Aufklärung versprochen. "Ich dulde in unserem Erzbistum keinerlei Vertuschung", erklärte er in einem Video.

Im gleichen Zuge gab das Erzbistum ein Gutachten in Auftrag, das den Missbrauchsvorwürfen nachgehen sollte. Veröffentlicht wurde es nie – angeblich wegen methodischer Mängel. Kritikerinnen und Kritiker werfen ihm Verzögerung vor.

Versprechen, die leer bleiben

"Das, was Woelki macht, würde ich als Aufarbeitungssimulation bezeichnen", sagt Christiane Florin. In ähnlichen Fällen hätten sich andere Amtsinhaber der katholischen Kirche auch so verhalten.

Ihre Kritik: Sie verweisen auf Studien, die zur Aufarbeitung dienen sollen, machen ihre eigene Verantwortung im Umgang mit den Missbrauchsvorwürfen weder transparent noch ziehen sie für sich selbst Konsequenzen daraus.

"Wenn ich etwas gemacht habe, von dem ich heute sage, das war sehr schlimm, muss ich doch nicht vorher in ein Gutachten schauen, um das zu wissen."
Christiane Florin, Deutschlandfunk-Redaktion "Religion und Gesellschaft"

Denn: In den zehn Jahren, seitdem die Vorwürfe im Raum stehen, ist kein deutscher Bischof wegen Vertuschung von Missbrauch oder wegen Übernahme von Verantwortung zurückgetreten, erklärt sie.

Forderung einer unabhängigen Kommission

Auch fehle es an Druck seitens der Politik. Eine unabhängige Aufarbeitungskommission zum Beispiel gibt es nicht. Als die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 2010 aufgerufen hat, die Staatsanwaltschaften zur Aufklärung miteinzubeziehen, forderte der Vorsitzende der Bischofskonferenz eine sofortige Entschuldigung der Bundesjustizministerin für ihren Vorstoß ein.

Weitere Forderungen nach einer unabhängigen Kommission – zuletzt vom Ordenspriester der Jesuiten, Klaus Mertes – haben sich im Sande verloren.

"Ich finde, dass der Staat die Opfer von kirchlichen Missbrauch alleine lässt."
Christiane Florin, Deutschlandfunk-Redaktion "Religion und Gesellschaft"

Länder wie Irland, die USA oder Australien zeigen, wie es anders geht. Das katholische Irland beispielsweise hat für die Aufklärung von Vorwürfen über sexuellen Missbrauch eine unabhängige Aufklärungskommission einberufen. Die Folge: Bischöfe sind zurückgetreten und die katholische Kirche hat das Ansehen ihrer Anhängerinnen und Anhänger verloren.

"Klar, wenn man das für die Kirche hält – diese Kirche der Vertuschung, die unbedingt aufrechterhalten werden muss – dann sind es natürlich abschreckende Beispiele", so die Dlf-Redakteurin. Zwar habe die Kirche in Deutschland im Vergleich zu früher weniger Unterstützung in der Politik, ihre aktuelle Lobby sei aber offenbar noch stark genug.

"Es gibt im Bundestag – und zwar nicht nur bei den Abgeordneten der C-Partei – große Hemmungen, sich mit den Kirchen anzulegen. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum das so ist, weil wir hier über Straftaten sprechen."
Christiane Florin, Deutschlandfunk-Redaktion "Religion und Gesellschaft"