EthikKI in der Medizin: Arzt oder Automat?
Wollen wir uns in Zukunft von einem Menschen oder einer KI behandeln lassen? Diese Frage stellt sich die Neurophysiologin Susanne Schreiber. Fest steht: Immer mehr wird möglich sein in der modernen Medizin. Darüber, wie sinnvoll das ist.
Als Mitglied des Deutschen Ethikrates bejaht Susanne Schreiber die Frage, ob künstliche Intelligenz (KI) für Diagnosen und Therapie überhaupt eingesetzt werden sollte. Als Beispiel nennt sie die Psychotherapie. Die Neurophysiologin weist darauf hin, dass sich viele Patient*innen zwar lieber einem Menschen anvertrauen möchten. Auf der anderen Seite aber gebe es auch einige Patient*innen, die sich aus Scham lieber einem Chat-Bot öffnen möchten statt realen Therapeut*innen.
Was mithilfe von KI in der Medizin möglich ist, zeige ein weiteres Beispiel. Blutproben etwa ließen sich von KI auswerten und Diagnosen wie auch Behandlungsmethoden gleich mitbestimmen. Krankenkassen könnten sich in solchen Fällen sogar das Arzthonorar sparen und Gesundheitsausgaben deutlich reduzieren.
Viele Möglichkeiten und Gefahren
Doch Susanne Schreiber warnt gleichzeitig auch vor vielen denkbaren – und auch schon machbaren – Anwendungen. Nur die wenigsten auf dem Markt seien überhaupt als absolut sicher anzusehen.
"Das Problem bei KI ist, dass man nicht mehr nachvollziehen kann, wie die Entscheidung getroffen wurde."
Natürlich, so Susanne Schreiber, könnten künstliche Systeme etwa bei der Früherkennung von Brustkrebs teils bessere Erkenntnisse liefern als Ärzt*innen. In der Psychotherapie hingegen seien die vorhandenen Algorithmen derzeit aber viel kritischer zu bewerten.
Ihr Fazit: Einsatz von KI ja, aber nur nach sorgfältiger vorheriger Prüfung. Und diese Prüfung solle nicht voreilig gemacht werden, sondern erfordere eine lange und intensive Vorgehensweise mit immer neuen Testungen.
Susanne Schreiber ist stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Dieser berät sowohl die Bundesregierung als auch die Öffentlichkeit in wichtigen Fragen moderner Lebensbereiche. Zum Thema KI hat er bereits 2023 eine ausführliche und vorläufig abschließende Stellungnahme abgegeben.
Ihren Vortrag hat Susanne Schreiber, die an der Berliner Humboldt-Universität die Forschungsgruppe Computational Neurophysiology leitet, bei der 37. Berliner Sommer-Uni gehalten, die unter dem Motto stand: "Künstliche Intelligenz und wie sich unsere Gesellschaft verändert". Am 9. September 2024 hat Susanne Schreiber unter der Überschrift referiert: "Ethische Herausforderungen durch Künstliche Intelligenz – ein beispielgeleiteter Blick auf Medizin, Bildung und Verwaltung".
Jedes Jahr veranstaltet die Berliner Akademie für weiterbildende Studien eine Vorlesungsreihe zu allgemein interessierenden Themen, diesmal gemeinsam mit der Humboldt-Universität.