Katholische KirchengeschichteWarum die Kirche den Zölibat abschaffen sollte
Der Zölibat ist kein ewiges Gesetz. Selbst als kirchliches Gebot gibt es zahlreiche, langlebige und erstaunliche Ausnahmen. Würde die Ehelosigkeit für Priester innerhalb der katholischen Kirche abgeschafft, wäre das nicht nur im Einklang mit der kirchlichen Tradition, argumentiert der Kirchenhistoriker Hubert Wolf, sondern mehr als überfällig.
Im Neuen Testament und in der alten Kirche gibt es ganz selbstverständlich verheiratete Priester. Auch heute wäre eine Aufgabe des Zölibats weder ein Paradigmenwechsel noch ein Traditionsbruch, sondern durchaus im Einklang mit der kirchlichen Tradition, sagt Kirchenhistoriker Hubert Wolf.
Der Ursprung des Zölibats
Wolf beschreibt das Sich-Verfestigen des Zölibats als Geschichte einer immer wieder neuen Güterabwägung.
"Die Verbindung von Zölibat und priesterlichem Amt ist weder eine Vorschrift göttlichen Rechts noch ein Gebot Christi noch eine apostolische Anordnung."
Er unterscheidet sechs Phasen in diesem Prozess hin zu einem priesterlichen Zölibat:
- So war Petrus laut Paulus verheiratet und mit seiner Frau auf Missionsreise.
- Seit dem 4. Jahrhundert nach Christus kommen Forderungen auf, wonach ein Priester in der Ehe in bestimmten Zeiträumen (vor der Messe) enthaltsam leben solle.
- Seit dem 6. und 7. Jahrhundert wird demnach in der Westkirche (Rom als Zentrum) versucht, diese Enthaltsamkeit von Priestern in der Ehe zu bekräftigen, während das in der Ostkirche (Konstantinopel als Zentrum) nicht so ist.
- Seit dem 10. Jahrhundert wird in der Westkirche versucht, verheirateten Priestern die Trennung von ihrer Frau vorzuschreiben, wobei dieser Anspruch in der Praxis wohl eher nicht eingelöst wird.
- Zweites Laterankonzil 1139: Weihe wird zum Ehehindernis. Wer geweiht ist, kann nicht mehr heiraten.
- Codex Juris Canonici 1917: Ehe wird als Weihehindernis beschrieben.
Reformen in der Kirche sind wichtig
In der Geschichte katholischen Kirche gibt es also gleichzeitig und nebeneinander verheiratete und nicht-verheiratete Priester, mit denselben Rechten und Pflichten.
Aber laut des Kirchenhistorikers war die Kirche immer wieder auf der Suche nach neuen Begründungen für den Zölibat, wenn die alten nicht mehr haltbar waren. Im Zuge dieses Prozesses seien erst 1917 bereits verheiratete Männer vom Priesteramt ausgeschlossen und die Ehe somit zum Weihehindernis geworden.
"Es scheint mir plausibel, von einer Geschichte zunehmender Einschränkung von Ehe der Geistlichen zu sprechen."
Für Wolf wäre die Abschaffung des Zölibats lebenserhaltend für die katholische Kirche. Mit dem Freigeben der Ehe für katholische Priester würde, sagt er, auch ein Risikofaktor für weitere Missbrauchsfälle innerhalb der Kirche ausgeschaltet.
Der Vortrag
Hubert Wolf wurde 1985 nach seinem Studium der Katholischen Theologie zum Priester geweiht. Seit 2000 ist er Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster. 2019 erschien sein Buch "Zölibat. 16 Thesen", er argumentiert darin gegen den Zölibat, mit Argumenten aus der Kirchengeschichte. Seinen Vortrag "Zölibat" hat er am 25. März 2022 auf Einladung der Buchhandlung Rupprecht in Dinkelsbühl gehalten.