Afghanisches TagebuchBowling in Kabul
Meena betreibt die einzige Bowlingbahn Afghanistans und sie arbeitet an einer Privatuniversität. Außerdem ist sie Mutter einer Tochter. Taqi lebt mit seiner Familie in Kabul und liebt deutsche Schriftsteller wie Bertolt Brecht und Stefan Zweig. Stimmen aus Afghanistan jenseits von Burka und Taliban.
Meena kennt das Leben als Flüchtling. Sie hat zuerst in Pakistan gelebt, dann in Kanada studiert. Darum hat sie auch die kanadische Staatsbürgerschaft. Mit ihrem Mann ist sie 2010 nach Afghanistan gereist, dann sind die beiden dort geblieben. Bei einem Abschiedsabend auf einer Bowlingbahn in Kanada, hat sich entschieden, eine Bowlingbahn in Kabul eröffnen. Im "The Strikers" in Kabul gibt es zwölf vollautomatische Bowlingbahnen.
Meenas absoluter Traum
Leider läuft das Geschäft mit dem Bowlen im Moment nicht so gut, erzählt Meena im Interview mit Afghanistan-Korrespondetin Sandra Petersmann: "Strikers was a dream, it is a dream and I think it will remain a dream. I'm sometimes afraid that there will a day that i might not be able to continue with the strikers anymore. That fear is in my heart." Zurzeit gehen in Kabul kaum noch Menschen aus - wegen der schlechten Sicherheitslage.
"Am Anfang hat das Strikers geboomt, als es 2011 eröffnet wurde. Seitdem ist in Afghanistan viel passiert. Die Sicherheitslage hat sich verschlechtert. In diesem Sommer ist vor dem Strikers auf der Straße eine Bombe explodiert."
Keine Sicherheit
Abends sind die Straßen in Kabul menschenleer, erzählt Sandra Petersmann. Und das obwohl Kabul fast zu einer Festung ausgebaut wurde. Trotzdem möchte Meena nicht nach Kanada zurückkehren.
"There is no way to leave Afghanistan. You always have an affection to your country no matter what is happening, you feel comfortable in your place."
Neben dem Strikers arbeitet Meena noch an der Universität Kardan. Die hat ihr Mann gemeinsam mit anderen Afghanen gegründet. Es ist die größte und erfolgreichste Privatuniversität des Landes. Dort managt Meene den Masterstudiengang Wirtschaftswissenschaften. Sie, ihr Mann und ihre kleine Tochter leben auch auf dem Campus der Uni.
Taqi - der belesene Afghane
Taqi ist besonders fasziniert von Stefan Zweig, erzählt Sandra Petersmann. In Gesprächen mit ihr zitiert Taqi aber nicht nur Zweig sondern auch Bertolt Brecht und Friedrich Nietzsche. "Für ihn ist Literatur auch eine Flucht aus der Realität in eine Welt, in der er so sein kann, wie er ist", sagt Sandra Petersmann.
Taqi ist ein absoluter Freigeist und darf in Afghanistan nicht alles sagen, was er denkt. Darum hält er sich bei seinen Publikationen in Afghanistan auch zurück: "Er hat mal mit dem Gedanken gespielt, was wäre, wenn Gott eine Frau wäre. Dafür hat er ordentlich Kritik bekommen." Sein Leben in Afghanistan stellt er darum immer wieder in Frage.
"Since the last elven years I'm convincing myself: Come on Afghanistan is your country, you can love it, you can feel you belong here. But after eleven years I'm not sure if i was successfull. I'm still not sure that I belong to this place."
Dieser Zwiespalt, ob sie ihre Heimat lieben oder nicht, würden übrigens viele Afghanen empfinden, erzählt Sandra Petersmann. Taqi hat seine Kindheit und Jugend als Flüchtling im Iran verbracht. "Er weiß einfach nicht, ob er wirklich schon in Afghanistan ganz angekommen ist. Er hat Afghanistan noch nie friedlich kennengelernt. Afghanistan ist im vierten Kriegsjahrzehnt."
Mit seiner Frau spricht er auch über Flucht, bislang konnte sich die Familie aber noch nicht dazu entscheiden. Denn Taqi weiß auch: Afghanistan ist nicht nur schwarz und weiß, nicht nur Krieg und Tod. Afghanistan ist ein Land mit Menschen, die genauso empfinden, wie wir. Genau das möchte Taqi vermitteln.
Das afghanische Tagebuch
Zwei Jahre lang hat die Afghanistan-Korrespondentin Sandra Petersmann Menschen in dem Land begleitet und ihre Geschichten dokumentiert - im afghanischen Tagebuch. Die Geschichten könnt ihr auf der Webseite der Tagesschau nachlesen und -hören.