Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal"Wir müssen die Umverteilung thematisieren"
Seit Anfang 2021 ist Jessica Rosenthal die Vorsitzende der Jungsozialist*innen in der SPD. Außerdem sitzt sie seit der vergangenen Bundestagswahl im Parlament. Seitdem pendelt sie zwischen ihrem Wahlkreis in Bonn und Berlin hin und her. Dabei treibt sie eine Frage laufend um.
"Ich frage mich jeden Tag: Wie können wir Menschen davon überzeugen, dass ihre Stimme einen Unterschied macht?" Was sich möglicherweise abstrakt anhört, versucht Jessica Rosenthal in konkrete politische Arbeit zu übersetzen. Sie will für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft sorgen.
Deswegen setzt sich für bezahlbaren Wohnraum ein, stellt das bestehende Wirtschaftssystem in Frage und zieht in ihrem Bonner Wahlkreis immer wieder von Haus zu Haus, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.
"Der Zusammenhalt einer Gesellschaft und die Gerechtigkeit sind für mich das zentrale Thema. Und das ist die SPD, die das vertritt."
2013 ist Jessica Rosenthal in die SPD eingetreten. Seit Januar 2021 ist sie Juso-Vorsitzende und seit Oktober 2021 sitzt sie im Bundestag. Dabei hat sie das Direktmandat in Bonn knapp verpasst.
Direktmandat knapp verpasst
"Das ist schon eine heftige Erfahrung gewesen, einer der schlimmsten Abende würde ich sagen", so Jessica Rosenthal. Lange Zeit lag sie bei der Auszählung vorne. Dann wurden die Ergebnisse der letzten zehn Stimmbezirke bekanntgegeben – und am Ende fehlten 216 Stimmen auf die Kandidatin der Grünen Katrin Uhlig, die schließlich das Direktmandat gewann. Rosenthal zog über die Landesliste der SPD trotzdem in den Bundestag ein.
"Es ist gut, Teil einer Bewegung zu sein, die auf die Straße geht. Aber es ist auch entscheidend, in die Parteien zu gehen."
"Ich hätte mir nie zugetraut, dass ich mal im Bundestag sitze oder Juso-Vorsitzende bin", sagt die Politikerin. Doch es habe immer wieder Menschen gegeben, die an sie geglaubt und ihr etwas zugetraut hätten.
Nein zum "Sondervermögen Bundeswehr"
In den vergangenen Monaten gab es neben vielen positiven politischen Momenten (wie zum Beispiel die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro) auch schwierige Augenblicke. Jessica Rosenthal stimmte gegen das "Sondervermögen Bundeswehr" von 100 Milliarden Euro und sich damit explizit gegen die Mehrheit ihrer Fraktion sowie den Wunsch von Bundeskanzler Olaf Scholz gewandt.
"Politik wird dann schlecht, wenn ich sage: 'Ich weiß es jetzt. Ich habe die Weisheit mit Löffeln gefressen'."
Dabei sei sie sehr wohl der Meinung, dass die Bundeswehr besser ausgestattet sein müsse. Aber ihre Sorge ist auch, dass andere wichtige Projekte dann nicht finanziert würden. "Juso-Vorsitzende heißt eben auch, auf das Ganze zu gucken", sagt Jessica Rosenthal. Außerdem stimme man sowieso nie zu hundert Prozent und in allen Punkten mit der eigenen Partei überein.
"Bereuen ist ein sehr starkes Wort. Aber es gab Momente, in denen ich gezweifelt habe, ob es die richtige Entscheidung war."
Im Deep Talk spricht die Juso-Vorsitzende Jessica Rosenthal mit Deutschlandfunk-Nova-Moderator Sven Preger über den Versuch, gerechte Politik zu machen, warum gerade junge Menschen auch in die Parteien gehen sollten und wie sie am besten von Politik abschalten kann.