Verlorene Wahl in Virginia"Für die Demokraten und Joe Biden ist das eine ziemlich große Katastrophe"
Eine verlorene Wahl in Virginia, schlechte Umfragewerte und eine kaum sichtbare Vize-Präsidentin. Es läuft nicht rund für die Demokraten und Joe Biden. Und dann ist da noch Donald Trump.
Der Republikaner Glenn Youngkin hat laut Hochrechnungen mehrerer US-Fernsehsender die Gouverneurswahl im US-Bundesstaat Virginia gewonnen. Der Staat gilt eigentlich als demokratisch dominiert. Was das für die Politik der ganzen USA und für Präsident Joe Biden bedeutet, hat Julian Müller-Kaler, Wissenschaftler bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin, im Gespräch mit Deutschlandfunk-Nova-Moderator Till Haase erklärt.
Till Haase: Wie groß ist das Problem, dass Joe Biden nach der verlorenen Wahl in Virginia hat?
Julian Müller-Kaler: Für die Demokraten und Joe Biden ist das eine ziemlich große Katastrophe, wenn man überlegt, dass vor einem Jahr bei der Präsidentschaftswahl Joe Biden den Bundesstaat noch mit zehn Prozent vor Donald Trump gewonnen hat. Die Wahl galt auch als Stimmungstest in der Bevölkerung, in Bezug auf die Einstellungen gegenüber der Präsidentschaft. Die Zustimmungswerte für Joe Biden sind auf einem historischen Tiefstand. Das heißt wenig Gutes für die Demokraten in den anstehenden Midterm-Wahlen nächstes Jahr.
Woran liegt es? Ist Joe Biden weniger beliebt? Ist das Angstgespenst Donald Trump nicht mehr so groß? Oder wird den Demokraten einfach nicht zugetraut, dass sie es auf die Reihe kriegen?
Ich glaube, es ist eine Verschmelzung von mehreren Problemen. Natürlich war vor einem Jahr Donald Trump das zentrale Thema. Viele liberale Menschen, die im Umkreis von Washington leben, haben damals für die Demokraten gestimmt. Jetzt, ein Jahr später ist die Enttäuschung über die Präsidentschaft von Joe Biden relativ groß.
Da geht es um den Umgang mit der Pandemie, um Reformpakete, die nicht durch den Kongress kommen, weil die Demokraten untereinander zerstritten sind, und um Fehler in der Außenpolitik. Insofern können die Republikaner von einer Frustration und von einer Ablehnung vieler Punkte der demokratischen Politik profitieren.
Glenn Youngkin in Virginia hat es außerdem geschafft, sich dem Trump-Lager zu nähern, aber auch moderate und Wechselwähler anzusprechen.
Vor einem Jahr waren nicht nur viele begeistert von Joe Biden, sondern auch von seiner Vizepräsidentin Kamala Harris. Von ihr hört man inzwischen wenig.
Kamala Harris hat das Problem, dass sie undankbare Themen bearbeiten muss. Das sind zum einen Migration und Flucht, hier ist politisch wenig zu gewinnen. Zum anderen die Wahlrechtsreform, die durch den Kongress muss, um demokratische Grundsätze zu schützen.
Hinzu kommt, dass sie auch Fehler zu machen scheint, die an die Presse durchgestochen werden. Die Berichterstattung in den letzten Monaten war eher negativ. Aber natürlich ist die Beliebtheit einer Vizepräsidentin auch immer abhängig von der der Regierung.
Es gab ja immer wieder Gedankenspiele, ob nach der Hälfte der Präsidentschaft gewechselt wird, dass also Joe Biden übergibt an Kamala Harris. Ist das gerade ein realistisches Szenario?
Glaube ich eher nicht. Die entscheidende Frage ist eigentlich, wer in drei Jahren bei der Präsidentschaftswahl antritt. Auf der republikanischen Seite spielt nach wie vor Donald Trump mit einem Comeback und gilt laut Umfragen auch als aussichtsreichster Kandidat. Die republikanische Partei, die ja auch als Grand Old Party bezeichnet wird, ist inzwischen eine Trump Old Party. Ohne den ehemaligen Präsidenten geht da wenig.
Und das ist natürlich das Schreckensszenario für die Demokraten, dass ein wieder erstarkter Trump 2024 noch einmal antritt. Darauf wird sich, glaube ich, auch die Auswahl des demokratischen Kandidaten konzentrieren. Aktuell ist noch nicht abzusehen, ob das nochmal Joe Biden machen wird. Das hängt mit Sicherheit auch mit seinem Gesundheitszustand zusammen, er ist ja heute schon der älteste Präsident, der jemals gewählt wurde. Auch die Beliebtheit von Kamala Harris wird eine Rolle spielen und etwaige andere Kandidaten, die vielleicht in den nächsten drei Jahren noch in Erscheinung treten.