AfD-JubiläumZehn Jahre AfD: Radikalisierung einer Protestpartei
Am 6. Februar 2013, vor genau zehn Jahren, wurde die "Alternative für Deutschland" (AfD) gegründet. Seitdem hat sich die Partei mehrmals verändert und neu positioniert – und sich als feste Größe im politischen System etabliert.
Im Jahr 2023 sitzt die AfD in 15 von 16 Landtagsparlamenten, im Bundestag und im Europaparlament. Gleichzeitig steht die Partei wegen rechtextremistischer Tendenzen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.
Ursprünglich wurde die Partei als Reaktion insbesondere auf den Rettungsschirm gegründet, an dem sich Deutschland mit mehreren Milliarden Euro beteiligte, um negative Auswirkungen der griechischen Finanzkrise auf den Euro und die EU zu verhindern. Einer der Parteigründer und erster Bundessprecher war der deutsche Ökonom Bernd Lucke – der sich inzwischen von der AfD distanziert hat und zur kleinen Partei LKR (Liberal-Konservative Reformer) gehört.
"Themenflexible Dagegen-Partei"
Nadine Lindner aus dem Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio in Berlin beobachtet die Partei seit Jahren. Um die Ursprungsidee, Europa und dem Euro kritisch gegenüberzustehen, kümmere sich die AfD politisch zwar noch immer, sagt sie. Im Laufe der Jahre seien aber weitere Themen dazugekommen – die Partei habe dann vor allem flüchtlingskritische bzw. -feindliche sowie Anti-Islam-Positionen in den Mittelpunkt gestellt.
"Politikwissenschaftler wie Johannes Hillje nennen die AfD eine 'themenflexible Dagegen-Partei'. Damit ist es eigentlich ganz gut beschrieben."
Ab 2020 sei dann der Protest gegen die Coronamaßnahmen dazugekommen, mit Beginn des Kriegs in der Ukraine 2022 schließlich der Protest gegen die Waffenlieferungen an die Ukraine und auch die Formulierung von Russland-nahen Positionen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Steffen Kotré etwa hatte gerade einen Auftritt in der Talkshow des russischen TV-Propagandisten Wladimir Solowjow. Dort sagte Kotré unter anderem, die Mehrheit der Deutschen sei gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine, die Medien würden aber alles dafür tun würden, um das Volk gegen Russland und dessen Führung einzunehmen.
Politikwissenschaftler wie zum Beispiel Johannes Hillje nennen die AfD eine "themenflexible Dagegen-Partei", die vor allem das Ziel hat, Zweifel zu säen, den Unmut in der Bevölkerung aufzugreifen und gegen den Staat und seine Repräsentanten zu richten.
Entwicklung nach rechts
Dafür, dass sich die AfD nach rechts bewegt, sieht Nadine Lindner mehrere Gründe: Zum einen gebe es schlicht und ergreifend Leute in der Partei – etwa Björn Höcke aus Thüringen oder Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt –, die genau diese Ausrichtung wollen: eine völkische Ausrichtung, die ein sehr homogenes Gesellschaftsbild vor Augen hat. Eine Gesellschaft, in der Menschen mit Einwanderungsgeschichte nicht zu sichtbar sind.
"Leute wie Björn Höcke aus Thüringen oder Hans-Thomas Tillschneider aus Sachsen-Anhalt wollen eine völkische Ausrichtung der AfD."
Diese gut organisierte Gruppe innerhalb der Partei setze auch auf einen russlandfreundlichen Kurs. Und sie setze sich dafür ein, dass die AfD eine sogenannte "Bewegungspartei" ist – also eine Partei, die zwar in den Parlamenten sitzt, die aber gleichzeitig auch immer wieder auf Demonstrationen auf der Straße setzt und dort agiert, agitiert und Druck aufbaut.
"Bewegungspartei" AfD
Die andere Gruppe, die sogenannten Gemäßigten, seien im Verhältnis dazu schlecht organisiert, beobachtet Nadine Lindner. Sie könnten – wie zum Beispiel zuletzt beim Parteitag in Riesa – keine Mehrheiten organisieren. Personen wie Joana Cotar, die die hessische AfD mit aufgebaut hatte, seien dann wieder relativ schnell weg vom Fenster.
Am 21.11.2022 war Cotar aus der AfD ausgetreten. Es seien "zu viele rote Linien überschritten" worden, hatte sie gesagt, unter anderem die "Anbiederung an die diktatorischen und menschenverachtenden Regime in Russland, China und jetzt auch den Iran", der "Opportunismus und das Dauermobbing im Kampf um Posten und Mandate" sowie der "Aufbau korrupter Netzwerke in der Partei".
"In der AfD gibt es eine amorphe Masse, die ich schlicht und ergreifend als opportunistisch beschreiben würde. Die ihren Listenplatz sichern wollen und so ein bisschen ihr Fähnchen in den Wind hängen."
Zwischen dem völkischen und dem gemäßigten Flügel der AfD sieht Nadine Lindner Parteianhänger*innen, die sie als opportunistisch beschreibt, die ihr Fähnchen in den Wind hängen und vor allem ihren Listenplatz sichern wollen.
Offenbar treue Wählerschaft
Etwa die Hälfte aller AfD-Wähler*innen können sich nicht vorstellen, eine andere Partei zu wählen, wurde unter anderem rund um die letzte Bundestagswahl berichtet. Vor allem bei bis dato Nichtwähler*innen könne die AfD Leute rekrutieren, sagt Nadine Lindner. Gleichzeitig verlöre die Partei aber auch viele Menschen wieder genau in diese Richtung: Bei der Bundestagswahl 2021 sei die stärkste Wanderbewegung der ehemaligen AfD-Wähler*innen zurück ins Nichtwähler-Lager gewesen.
Bei der letzten Landtagswahl in Niedersachsen hat die AfD mit 10,9 Prozent gut abgeschnitten. Die meisten Wähler*innen haben sich Umfragen zufolge wegen der Angst vor Preissteigerungen und hohen Lebenshaltungskosten für die Partei entschieden. Unter anderem Arbeiter*innen und Arbeitslose gehören zum Kernklientel der Partei, sagt Nadine Lindner. Und: Mehr Männer als Frauen wählen die AfD – vor allem Männer im mittleren Alter zwischen 35 und 44.