Journalistin Eva Reisinger"Österreicher*innen und Deutsche haben eine einseitige Liebesbeziehung"
Die Deutschen sind die, die in Funktionskleidung in die Berge strömen, um dort mit schlechtem Schuhwerk wandern zu gehen – zumindest, wenn man einige Österreicher*innen fragt. Journalistin Eva Reisinger lebt in Wien und hat eine Erklärung für die mal mehr und mal weniger subtile Abneigung.
Lange Zeit dachte Eva Reisinger, dass es in Ordnung sei, dass Österreicher*innen eine besondere Abneigung gegen Deutsche haben. Denn, so die Begründung, sie dachte, dass diese auf Gegenseitigkeit beruhe. "Ich dachte, es sind halt so Feindseligkeiten, die man auf beiden Seiten mit sich herumträgt", sagt die Journalistin und Autorin.
"Jede Person, die in Österreich aufgewachsen ist, kann bezeugen, dass es einen sehr verfestigten Deutschland-Hass gibt."
Erst als sie für einige Zeit in Berlin lebt, stellt sie fest, dass die Abneigung ziemlich einseitig ist. In der deutschen Hauptstadt trifft sie sogar viele Menschen, die Österreich, seine Kultur und Natur feiern, wie Eva sagt. "Österreicherin zu sein war, wenn man von der politischen Seite absieht, immer sehr einfach und sehr schön. Jeder und jede hat irgendeine Österreich-Geschichte", sagt sie.
Österreicher*innen haben einen unverdienten Vorteil bei Deutschen
In Berlin habe sie sich stets gefühlt, als habe sie einen Startvorteil, den sie sich nicht verdient habe, so Eva. "Vor allem nicht, wenn man bedenkt, wie feindselig wir oft selbst sind", ergänzt sie. "Es ist, wie es eine einseitige Liebesbeziehung."
Woran Eva das festmacht? Österreicher*innen nennen Deutsche oft abwertend "Piefke". "Damit meint man die Touristen und Touristinnen, die in Funktionskleidung nach Tirol kommen und dann da wandern gehen wollen. Und dann zum Topfen 'Quark' sagen. Und alle wollen auf einen Berg gehen, für den sie die Schuhe nicht haben", so die Österreicherin.
Eine beliebte österreichische Beleidigung sei es auch, zu anderen zu sagen, dass sie sich "nicht so deutsch" verhalten sollten.
"Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte Österreich vor allem nicht Deutschland sein und sich abgrenzen."
Das Problem, dass Österreicher*innen häufig mit Deutschen haben, lasse sich historisch erklären, meint Eva. "Da geht es ganz viel um Komplexe. Darum, dass man sich selbst eine Identität schafft, indem man sich abgrenzt. Das kommt aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Das weiß man auch aus der Forschung."
"Am Ende sind wir uns total ähnlich"
Trotz allem ist sich Eva sicher, dass aus der einseitigen eine gegenseitige Liebe werden kann. "Wenn man sich alleine mal die Liebe zwischen Berlin und Wien anschaut: Ich kenne wahnsinnig viele Leute, die zwischen beiden Städten pendeln und immer wieder umziehen", sagt sie. "Diese Städte haben eine totale Beziehung. Wenn man die eine Stadt nicht mehr aushält, geht man in die andere – bis es dann wieder andersrum ist."
Damit die Beziehung funktioniere, müssten beide Seiten ein bisschen investieren. In Österreich müsste man sich eingestehen, dass Deutschland einige Dinge besser macht: "Das sollten wir uns vielleicht einfach abschauen, statt immer neidisch zu sein, wie auf einen großen Bruder oder eine große Schwester". Und die Deutschen? Die sollten einfach mal "g'scheit zruck reden", aber bitte nicht die österreichische Sprache kopieren - denn darauf reagieren die Leute "total allergisch".