JobWie wir lernen, Grenzen zu setzen
Im Job und Beruf Grenzen zu setzen, ist nicht immer leicht. Ronja Ebeling ist Journalistin und Autorin. Sie macht sich viele Gedanken über das Verhältnis von Arbeitswelt und der Gen Z. Jürgen Hesse ist Psychologe und Karrierecoach. Er weiß, wie wir lernen können, uns besser abzugrenzen und auch mal nein zu sagen.
Abgrenzung im Job zu finden, um dem privaten Leben mehr Raum zu geben, das gelingt ihr mittlerweile ziemlich gut, sagt Ronja. Sie möge ihren Beruf als Journalistin und Autorin sehr, aber eben auch die Dinge in ihrem privaten Leben.
Beruf ist wichtig, das private Leben auch
Ronja ist 1996 geboren. Die älteren Generationen hätten sich viel stärker mit ihrem Job und Leistungen identifiziert, bei ihrer Generation sei das mittlerweile ein bisschen anders. "Wir haben Hobbys. Wir wollen unsere Freunde und Freundinnen treffen und uns nicht nur über unseren Beruf definieren", sagt sie.
"Wir haben Hobbys, denen wir nachgehen wollen. Wir wollen unsere Freunde und Freundinnen treffen und uns nicht nur über unseren Beruf definieren."
Ronja hat einen sehr strukturierten Kalender, in dem sie auch Zeit für Freundschaften einträgt. Das war nicht immer so. In ihrer letzten Festanstellung für ein Videoprojekt stand sie vor lauter Arbeit unter starkem Druck, was sehr an ihrem Nervenkostüm und den eigenen Kapazitäten gekratzt hat, sagt sie. Sie habe dann für sich eine Grenze gezogen und das Gespräch mit ihren Vorgesetzten gesucht. Die Situation besserte sich.
Verbündete suchen für Änderungen im Job
Jungen Menschen, die sich fragen, wie sie arbeiten möchten, rät Ronja: Sie sollen realistisch gucken, was in der Branche und im Unternehmern möglich ist und mit lösungsorientierten Ansätzen zu den Vorgesetzten gehen.
Außerdem sei es gut, sich mit Kolleginnen oder Kollegen zusammenzuschließen, denen es ähnlich geht – gerade, wenn man noch in der Ausbildung und am Karriereanfang ist.
"Es ist wichtig, Verbündete zu suchen, sich mit mehreren Leuten im Team zusammenzuschließen und gemeinsam zu den Vorgesetzten zu gehen. Gerade, wenn man am Karriereanfang ist. Bildet Banden!"
Es sei wichtig, auch mal nein sagen zu können im Job, um eine gesündere Work-Life-Balance zu finden. Am Ende diene das auch den Unternehmenswerten und dem Gesundheitsschutz. Das zählt sich auch für Arbeitgeber aus, meint Ronja.
So habe sich beispielsweise die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei Unternehmen in Deutschland seit 2010 fast verdoppelt – auch, weil die mentalen Erkrankungen in dieser Zeit so zugenommen hätten.
Ronja hat mehrere Interviews mit Führungskräften in Betrieben und Unternehmen geführt – von modernen Start-ups bis hin zu großen Arbeitgebern wie die Katholische Kirche. "Denen war schon allen bewusst, dass sie etwas ändern müssen, wenn sie diese Generation für sich begeistern wollen", sagt sie.
"Nein Chef, das ist mein Wochenende"
Wie sich Arbeitnehmer im Job besser schützen und abgrenzen können, damit kennt sich auch Jürgen Hesse gut aus. Er ist Psychologe und Experte in Sachen Bewerbung und Karriere.
Beispiel: Der Chef will am Freitagmittag noch eine Präsentation bis Montag früh fertig haben. Wenn wir uns nicht im Vorfeld dazu verpflichtet haben, dann ist es okay, zu sagen, "Nein Chef, das ist mein Wochenende und das geht nicht", sagt er.
"Wenn der Chef der Meinung sei, ich müsste ein Problem übers Wochenende für ihn lösen, dann ist es wichtig, dass ich mich abgrenze, dass ich klar sage: 'Nein, Chef, das ist mein Wochenende.'"
Ein Arbeitsverhältnis sei ein Geben und Nehmen. Arbeitnehmer, die sich für bestimmte Tätigkeiten verpflichtet hätten, sollten die auch mit Mühe und nach besten Gewissen erledigen. Natürlich sollten wir angemessen bezahlt werden, uns aber auch nicht ausnutzen lassen – "vor allen Dingen, wenn man die Probleme einer anderen Person zu seinen eigenen macht", so der Experte.
Ein freundliches Nein und gute Gründe
Um beim Beispiel der Präsentation zu bleiben: Das Entscheidende ist, das Nein in einem freundlichen Ton auszusprechen und auch gute Gründe zu haben – etwa, da am Wochenende ein lang geplanter Familienausflug ansteht, sagt der Psychologe.
In einem nächsten Schritt sollten wir mit an einer Lösung arbeiten: Wer könnte die Aufgabe sonst noch übernehmen. Würde vielleicht auch Montagnachmittag reichen? Eine gute Führungskraft müsse auch verstehen, dass es im Leben auch noch andere Prioritäten gibt.
"Entscheidend ist, wenn sie 'Nein, danke!' sagen, das freundlich zu tun und zweitens, dafür zu werben, gute Gründe dafür zu haben."
Manchen falle es schwer, sich in der Freizeit gedanklich von ihrer Arbeit und bestimmten Verpflichtungen abzugrenzen – mit typischen Folgen wie Schlafstörungen oder ein ständig schlechtes Gewissen. Dann ist es sehr wichtig, selbstkritisch über die Beziehung zur Arbeit und den Vorgesetzten nachzudenken, sagt der Experte.
"Wenn die Arbeit mich nicht mehr ruhig leben lassen, Schlafstörungen und ein schlechtes Gewissen machen, dann ist es sehr wichtig, über die Beziehung zu meiner Arbeit nachzudenken."
Es könne sein, dass Betroffene entweder über eine mangelnde Technik verfügen, sich besser im Beruf zu schützen, "oder ich denke immer, 'ich muss, ich muss!', obwohl gar keiner wirklich was von mir erwartet", sagt Jürgen Hesse. Dann sei es mitunter ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. "Es ist sehr selbstquälerisch, wenn sozusagen der Feind in mir steckt", so der Psychologe.