Uni-LaufbahnPrekärer Einstieg für Wissenschaftsnachwuchs
Der Einstieg in die Wissenschaftskarriere ist für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schwer. Meist gibt es nur befristete Stellen. Bis sie irgendwann der Uni ganz den Rücken kehren.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung will diese Situation des Wissenschaftsnachwuchses verbessern und hat ein Eckpunktepapier für die Überarbeitung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) vorgelegt.
An dieser geplanten Reform des WissZeitVG gibt es massive Kritik von Studierenden und Professor*innen. Innerhalb kurzer Zeit haben mehr als 2500 Professorinnen und Professoren auf der Unterschriftenliste "Nivellierung statt Novellierung" unterschrieben. Sie sehen in der geplanten Reform weitere Verschlechterungen der Situation für den wissenschaftlichen Nachwuchs.
"Wir erklären uns solidarisch mit den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die zu über zwei Dritteln auf befristeten Stellen tätig sind. Denn ihre jetzt schon kaum mehr zumutbaren Arbeitsbedingungen an deutschen Hochschulen drohen sich noch weiter zu verschlechtern."
Wegen der massiven Kritik an der Reform hat das Bundesbildungsministerium verschieden Akteure und Kritiker der Reform zu einem Austausch eingeladen. Entgegen vieler Professor*innen verteidigt beispielsweise der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Otmar Wiestler, die Befristung von wissenschaftlicher Mitarbeitenden, da der Erfolg des deutschen Wissenschaftssystems auf Durchlässigkeit beruhe.
"Bei einer der zentralen Fragen, nämlich wie schnell sollen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entfristet werden, gibt es immer noch unterschiedliche Positionen."
Bis zum Sommer soll es eine Reform des WissZeitVG geben, damit im Herbst das neue Gesetz im Bundestag verhandelt werden kann. Ein Vorschlag ist, dass zum Start des befristeten Arbeitsverhältnisses eine Vereinbarung zwischen Hochschule und Wissenschaftler*in geben könnte. Darin soll stehen, welche Ziele und Fristen es geben soll. Wenn diese erfüllt werden, könnte die Person nach einer gewissen Zeit entfristet werden können.
Von Befristung zu Befristung
Lars* hat sich von Anfang an für sein Fach der Politikwissenschaften begeistert. Nach dem Master zu promovieren, war für ihn eine logische Schlussfolgerung. Doch die Promotionsstellen an den Unis sind teilweise so kurz befristet, dass er mehrfach die Uni wechseln musste. Seine Promotion hat er teilweise nach Feierabend neben einem 40-Stunden Job an der Uni geschrieben.
Mittlerweile ist er an der Uni Münster beschäftigt, die ist aber ziemlich weit von seinem eigentlichen Wohnort entfernt. Er arbeitet fast vollständig im Homeoffice und fährt nur zu Absprachen und Treffen zur Uni.
Lars ist mit seiner Arbeitssituation unzufrieden und findet es nicht gut, alleine für sich zu arbeiten. Weil er aber inzwischen geheiratet und schon so oft den Wohnort gewechselt hat, will er nicht nach Münster umzuziehen. Er hat den Wunsch, irgendwo "anzukommen".
"Wenn man immer wieder umzieht, kommt man nirgends so richtig an. Es ist ganz schwer neue soziale Kontakte aufzubauen. Ja, es lässt einen vereinsamen."
Selbst wenn Nachwuchswissenschaftler*innen den Doktortitel in der Tasche haben, können sie in Deutschland nicht mit einer Festanstellung rechnen. "Nach der Promotion werden junge Wissenschaftler*innen nämlich als Postdocs angestellt – und das praktisch immer mit Zeitverträgen. Bis zu sechs Jahren darf eine Hochschule einen Postdoc beschäftigen", erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Conor Körber.
Befristete Postdoc-Stellen
Lennart hat diese sechs Jahre schon hinter sich. Er ist Mathematiker und hat mittlerweile sogar habilitiert, darf also jetzt auch an den Unis lehren. Eine Festanstellung hat er bisher aber trotzdem nicht bekommen. Stattdessen musste er jetzt eine befristete Stelle an der Universität in Barcelona annehmen.
"Es ist schön, die Welt zu sehen und mit Forschenden aus der ganzen Welt zu kommunizieren, aber gleichzeitig ist natürlich auch die Lebensplanung damit aus der Bahn geworfen."
Für Lennart ist die Unsicherheit in seinem Job mittlerweile ein Problem. Er hat Familie und möchte nicht ständig pendeln oder im Ausland arbeiten. Dass er der Wissenschaft noch nicht den Rücken gekehrt habe, liege einzig an seiner großen Leidenschaft für die Forschung. "Das ist ja der einzige Grund, warum man diese Ungewissheit überhaupt durchsteht", sagt Lennart.
In Spanien alles besser?
Maria ist Geologin und hat in Spanien promoviert. Aktuell ist sie als Postdoc befristet in Tübingen angestellt. Sie weiß, wie sich die wissenschaftlichen Arbeitsmärkte in Spanien und Deutschland unterscheiden: "In Spanien sind die Gehälter im Vergleich deutlich niedriger, sowohl für Forschende als auch für Professoren. Dafür gibt es aber in Deutschland auch viel weniger Stellen. So gleicht sich das aus."
Der Forschungsstandort Deutschland gefällt Maria eigentlich sehr gut. Hier eine feste Stelle zu bekommen, ist für sie aber fast unmöglich. Da sie keine Muttersprachlerin ist, kann sie sich kaum gegen eine*n deutsche*n Wissenschaftler*in behaupten. "Ich kann nicht mit jemandem, der auf Deutsch lehren kann, konkurrieren. Dafür ist mein Deutsch-Level nicht hoch genug", erklärt sie.
Zu wenig unbefristete Stellen in Deutschland
Feste Stellen für Forschende ohne Lehrauftrag gibt es kaum. Darum haben es ausländische Forschende wie Maria auf lange Sicht besonders schwer in Deutschland. Dabei würde sie sich wünschen, auch langfristig hier zu arbeiten.
"Ich würde sehr gerne hierbleiben. Tübingen ist wunderschön. Ich habe hier alle Forschungswerkzeuge die ich brauche. Aber ich weiß, dass es praktisch unmöglich ist. Einfach weil es keine freien Stellen gibt."
Dadurch, dass deutsche Unis so wenige unbefristete Stellen vergeben, entsteht ein großer Konkurrenzkampf um diese Arbeitsplätze. Das führt dazu, dass viele Forschende ins Ausland gehen oder innerhalb Deutschlands immer wieder Arbeitsplatz und Wohnort wechseln müssen. Viele von ihnen haben mit Mitte 30 immer noch keine sichere Arbeitsperspektive. Am Ende verlassen sie die akademische Lehre.
* Name von der Redaktion geändert.