GeschichtsrevisionismusPsychologin: Es ist zu leicht, sich über Jana nur lustig zu machen

Eine junge Frau vergleicht sich auf der Bühne einer Coronaleugner-Demonstration von "Querdenken" mit Sophie Scholl. Unter dem Hashtag #janaauskassel gibt es vor allem bei Twitter viel Häme. Psychologin Pia Lamberty sagt: Wir machen es uns zu leicht, wenn wir Jana nur auslachen. Vielmehr müssen wir offenlegen, wie Querdenken und Rechtsextreme systematisch die Geschichte umdeuten.

Es ist ein häufig zu beobachtendes Phänomen im Netz, sagt die Forscherin der Universität Mainz, dass Menschen ihrer Empörung Luft machen, indem sie über Personen lachen und sie abwerten. Pia Lamberty würde sich aber eine inhaltliche Auseinandersetzung wünschen, die über die Empörung hinaus geht.

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Zu einer solchen Auseinandersetzung gehöre, sich mit den zugrunde liegenden Systemen auseinanderzusetzen. Denn es ist nicht nur Jana aus Kassel, die hier Geschichtsrevisionismus betreibt, indem sie sich mit der Widerstandskämpferin Sophie Scholl gleichsetzt – einer Studentin, die vom NS-Regime für ihre Widerstandsarbeit verurteilt und enthauptet wurde.

Die Vergleiche mit und das Zweckentfremden von Symbolen der NS-Zeit wird seit Beginn der Querdenken-Demonstrationen betrieben, um mediale Aufmerksamkeit zu erhalten und zu provozieren. Bislang wurden die aber medial noch nicht so breit rezipiert wie dieser Auftritt der Studentin. Der Psychologin ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Auftritt von Jana aus Kassel in einen Gesamtkontext gehört und zu einer Entwicklung, die sich schon seit längerer Zeit im Umfeld der Querdenken-Proteste zeigt.

"Man merkt, sie sagt das nicht im luftleeren Raum, sondern das trifft auf eine gewisse Ideologie. Ich glaube, das ist wichtig für ein Verständnis."
Pia Lamberty, Sozialpsychologin und Autorin des Buchs "Fake Facts"

Natürlich sei es wichtig, dass über Vorfälle wie diesen gesprochen wird. Aber die Psychologin wünscht sich mehr reflektierte Reaktionen auch in den sozialen Netzwerken. Denn, wer sich über solche absurden Vergleiche einfach nur lustig macht, reproduziert diesen Vergleich trotzdem und trägt ihn weiter in die Gesellschaft. Deshalb sei es wichtig, einzubetten, einzuordnen und analytischer vorzugehen, wenn es um solche Vorfälle geht.

Schwierig findet Pia Lamberty auch die ganzen Abwertungen, die mit der Kritik von Jana aus Kassel einhergehen. Die Bezeichnung der Rednerin als dumm oder psychisch labil sei unpassend. Denn Verschwörungsmythen zu verbreiten habe nicht zwingend etwas mit psychischer Gesundheit zu tun. Das stigmatisiere Menschen, die zum Beispiel an einer psychischen Krankheit leiden.

Eine Frage der Öffentlichkeit

Grundsätzlich ist der Impuls nachvollziehbar, sich über Jana aus Kassel auch lustig zu machen. Oder sie mit markigen Sprüchen herabzuwürdigen. Lachen schafft durchaus Erleichterung. Die Frage sei jedoch, wo man das tut, sagt Pia, also ob im Privaten oder eben in den sozialen Netzwerken, also im öffentlichen Raum. Und es sollte nicht einfach dabei bleiben, sich über jemanden lustig zu machen. Denn oft genug hört die Auseinandersetzung mit dem Thema, um das es im Kern geht, nach der ersten Welle der Empörung auf.

"Man muss sich einfach überlegen: Lache ich jetzt öffentlich in den sozialen Medien oder mache ich das nicht einfach mal privat."
Pia Lamberty, Sozialpsychologin an der Universität Mainz

Natürlich war auch zu beobachten, dass sich viele Menschen um Aufklärung bemüht haben. Es wurden die Geschichten von Sophie Scholl und Anne Frank geteilt sowie zahlreiche Erklärstücke. Was Pia Lamberty aber gefehlt hat, war eine Auseinandersetzung mit dem, woher das Phänomen kommt und auf welchen gesellschaftlichen Tendenzen das Phänomen als solches fußt.

Damit weist die Psychologin darauf hin, dass diese geschichtsrevisionistischen Vergleiche sehr bewusst eingesetzt werden, um Aufmerksamkeit zu generieren. Es sei schon eine ganze Weile zu beobachten, dass von Seiten der Querdenker der Staat und die Maßnahmen zur Corona-Pandemie als Faschismus dargestellt und inszeniert werden. Und das sei der Boden, auf dem die Inszenierung als Opfer und Widerstandskämpfer fuße.

"Geschichtsrevisionismus ist ein politisches Vehikel. Das nutzt die AfD beispielsweise auch sehr gerne."
Pia Lamberty, Sozialpsychologin an der Universität Mainz

Im konkreten Fall rät die Psychologin, nicht einfach nur das Video zu teilen, sondern auch einzuordnen, in welchem Zusammenhang die Aussagen getätigt wurden. Zum Beispiel, indem man zum Thema Geschichtsrevisionismus recherchiert und darüber aufklärt, wie Querdenken und Rechtsextreme systematisch die Geschichte umdeuten.