Jagdstrategien im TierreichTiere: Die Taktik der Gruppenjäger
Wenn ein Rudel Löwinnen auf die Jagd nach Antilopen geht, oder Orcas Robben auf Eisschollen fangen wollen, geschieht das nicht auf gut Glück, sondern mit einer ausgeklügelten Taktik und besonderen Fähigkeiten.
Welche Fähigkeiten Tiere für eine erfolgreiche Jagdstrategie brauchen, haben zwei Forscher des Max-Planck-Instituts für Ornithologie in Radolfszell untersucht. Dazu haben sie die Strategien bei der Gruppenjagd von fast 90 Tierarten ausgewertet und festgestellt, dass es vier wichtige Fähigkeiten braucht, damit eine Gruppenjagd gelingt:
Fähigkeiten für eine erfolgreiche Gruppenjagd sind:
- stabile Gruppen bilden
- miteinander kommunizieren
- bestimmte Rollen bei der Jagd einnehmen
- die Beute gleichmäßig verteilen
Gruppenjagd ist Teamwork
Ein Rudel Löwinnen hätte bei der Jagd auf Antilopen kaum eine Chance hinterherzukommen, denn Antilopen sind deutlich schneller als sie. Um sie dennoch zu erwischen, haben die Löwinnen eine schlaue Rollenverteilung, bei der sie sich nach ihren Fähigkeiten aufteilen, sagt Biologe Mario Ludwig.
"Normalerweise sind Antilopen schneller als Löwinnen. Deshalb gibt es im Löwinnenrudel eine Strategie mit unterschiedlicher Rollenverteilung."
Wichtig für die Gruppenjagd ist gutes Teamwork. Während sich zwei schnelle, schlanke Löwinnen von beiden Seiten an eine Antilope heranschleichen, wartet weiter hinten versteckt eine kräftige Löwin auf ihren Einsatz. Sobald die Antilope die Löwinnen entdeckt, fängt sie an zu rennen und wird dabei von den flankierenden Löwinnen in die Ecke der wartenden Löwin gedrängt. Diese braucht dann nur noch mit viel Kraft zuzuschlagen.
Von Jagd zu Jagd wachsen dabei die Löwinnen besser in ihre bestimmten Rollen hinein, erklärt Biologe Mario Ludwig.
Kommunikation über die Schwanzflosse
Wenn Zebra-Zwergfeuerfische im Great Barrier Reef eine passende Beute entdecken, animieren sie andere Feuerfische gezielt mit einem konsequenten Wedeln der Schwanzflosse. Nach der erfolgreichen Jagd wird die Beute gerecht verteilt. Das konnten Forschende aus Australien beobachten.
Für Fische sei der komplexe Vorgang des Animierens von Artgenossen und das gerechte Teilen der Beute eine beachtenswerte kognitive Leistung, die man sonst nur deutlich höher entwickelten Säugetieren zutrauen würde, erklärt Mario Ludwig.
"Die Animation von Artgenossen und das anschließend gerechte Teilen der Beute, ist für einen Fisch eine wirklich beachtenswerte kognitive Leistung."
Die raffinierte Strategie der Orcas
Auch Orcas kommunizieren miteinander, wenn sie im Rudel Fische oder Robben jagen. Mithilfe von Unterwasserlauten teilen sie sich auf und kreisen den Fischschwarm ganz gezielt ein. Die raffinierteste Gruppenjagdtechnik kann man jedoch beobachten, wenn Orcas auf die Jagd nach Robben, Pinguinen oder auch vereinzelt Eisbären gehen, die auf einer Eisscholle treiben.
"Um an Beute heranzukommen, die auf Eisschollen steht, wie vor allem Robben oder im Einzelfall auch mal einen Eisbären, haben Orcas eine geradezu unglaubliche Strategie entwickelt."
Um an ihre Beute heranzukommen, gehen die Orcas "unglaublich koordiniert" vor, erklärt Biologe Mario Ludwig. Während ein Orca die Eissscholle auf ihrer Position hält, schließen sich vier oder fünf weitere Artgenossen zusammen und schwimmen schnell und gezielt in einer Reihe auf die Eisscholle zu. Dabei erzeugen sie so starke Wellen, dass die Robben regelrecht von ihren Eisschollen gespült werden.
Danach schnappen sich die Orcas die Robbe und ziehen sie unter Wasser. Amerikanische Wissenschaftler haben sogar beobachtet, dass Orcas in einigen Fällen die Robben zurück auf die Eisscholle schieben, um den "Wellentrick" ein weiteres mal durchzuführen. Sie vermuten, dass das einer weiteren Demonstration für den Orca-Nachwuchs dient.