"Istanbul United"Wenn aus Feinden Freunde werden
Eigentlich hassen sich die Fangruppen der drei großen Istanbuler Stadtvereine bis aufs Blut. Während der Ausschreitungen auf dem Taksim Platz verbünden sich die Fans und protestieren gemeinsam. Die Dokumentation "Istanbul United" zeigt auf eindrucksvolle Weise, was nicht für möglich gehalten wurde. Pünktlich zum Kinostart haben wir mit dem Regisseur Olli Waldhauer gesprochen.
Regelmäßig kommt es in Istanbul zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Çarşı, Genç FB und Ultraslan, den Fangruppen der drei großen Stadtvereine. Häufig gibt es bei den Kämpfen Verletzte, manchmal auch Tote. Die Fans, sagt Waldhauer, seien sehr viel radikaler als anderswo auf der Welt. Während die Proteste um den Gezi-Park immer stärker zunehmen, Frauen und Kinder schreiend in den Tränengaswolken der Sicherheitskräfte umherirren, kommt es zu einer bis dato unmöglich gehaltenen Verbrüderung der drei Fanklubs.
"Ich glaube, dass die Fußballjungs, die gerade in der Türkei sehr erfahren sind im Umgang mit der Polizei, gesagt haben: Jetzt reicht es. Mit uns könnt ihr das machen aber nicht mit Frauen und Kindern.."
Die gewalterprobten Fans spielen dabei ihr erworbenes Wissen aus früheren Ausschreitungen mit den Sicherheitskräften aus. Gemeinsam singen sie ihre Lieder, texten sie um auf die Proteste und stecken damit tausende andere Menschen rund um den Taksim-Platz an.
Die Fans stehen Schulter an Schulter
"Als ob die Kavallerie angeritten kommt“, so drückt es ein Sportjournalist in der Doku aus. Die Fußballfans haben vor allem psychologisch etwas bewirkt. Dass die Jungs, die man sonst nur aus der Zeitung kennt, plötzlich Schulter an Schulter stehen und Schutz bieten, das sei ein wahnsinnig bestärkendes Gefühl für alle gewesen, die an den Protesten teilgenommen haben, sagt Olli Waldhauer.
Starke Bilder, starke Emotionen
Schon der Trailer für Dokumentation "Istanbul United" liefert atmosphärisch dichte Bilder, teilweise auch mit Amateur- und Handyaufnahmen, mitten aus dem Chaos der Tränengasangriffe. Den Zuschauer zieht es förmlich in die Proteste hinein, was sehr beklemmend und bedrückend wirken kann. Selbst für Olli Waldhauer gibt es immer noch Szenen im Film, bei denen er weggucken muss.
"Ich kann mich in den Moment zurückversetzen, wo es sich wirklich anfühlt, als wenn jemand zwei Hände um meinen Hals legt und zudrückt und du wirklich das Gefühl hast, du gehst gleich drauf“
Kurz vor Ende der Schnittproduktion sagte er zu seinem Cutters noch, sein größter Wunsch wäre es, wenn der Film ins Schwarze fadet und die Leute "Her YerTaksim" (Überall ist Taksim) singen. Premiere feierte der Film in Köln, in der Heimat von Olli Waldhauer. Und am Ende des Films passierte es dann tatsächlich: Die Besucher standen auf und zusammen stimmten sie den Schlachtruf der Gezi-Proteste an. "Un-fucking-fassbar", sei das gewesen, "der Abend meines Lebens", sagt Waldhauer.