Intimitäts-Koordinatorin Julia EffertzSex-Szene, aber sicher
Schauspielerinnen und Schauspieler müssen immer mal wieder intime Szenen drehen, in denen geküsst, gestreichelt, gefummelt oder so getan wird, als ob die Darstellenden Sex haben. Natürlich soll das alles möglichst echt aussehen. Dass dabei bestimmte Grenzen nicht überschritten werden, darauf passen am Filmset immer häufiger Intimitäts-Koordinatoren auf.
Was ist am Set noch okay, und ab wo wird eine Grenze überschritten? Das ist nicht erst seit der #MeToo-Debatte eine wichtige Frage. Im anglo-amerikanischen Raum setzt sich an Film-Sets langsam durch, dass solche Dreharbeiten von sogenannten Intimitäts-Koordinatoren begleitet werden. Die deutsche Schauspielerin Julia Effertz hat sich bei Ita O'Brien zur Initimitäts-Koordinatorin weiterbilden lassen.
Kennengelernt haben sich beide beim Filmfestival in Cannes 2018, bei dem der Machtmissbrauch durch den Produzenten Harvey Weinstein in aller Munde war. Dort fasste Julia Effertz den Entschluss, auch selbst Initimitäts-Koordinatorin zu werden. Sie wollte lernen, wie sie als Schauspielerin ihren Körper schützen und dabei trotzdem künstlerisch frei in der Rolle bleiben kann.
Transparenz für alle Beteiligten
Intimitäts-Koordinatoren kommen bereits während der Vorproduktion an Bord, hat sie uns erzählt. Die möglichst transparente Kommunikation über intime Inhalte beginne schon lange vor dem Dreh. Am Set selbst kommen die Koordinatoren dann etwa bei folgenden Szenen zum Einsatz:
- Szenen, in denen Nacktheit vorkommt
- Liebes- und Sexszenen
- Kussszenen
- Szenen, in denen SchauspielerInnen körperlich exponiert sind, etwa eine Geburtsszene
Bei diesen Szenen dürfe es keine Improvisation und Überraschung geben, sondern alles müsse so ablaufen, wie es mit allen Beteiligten vorher abgesprochen wurde. Ähnlich wie bei einer durchchoreografierten Kampfszene, erklärt Julia Effertz. Da würde man den Schauspielerinnen und Schauspielern ja auch keine Messer in die Hand geben und sagen: Jetzt macht doch einfach mal!
Keine Improvisation
Bisher gab es keine verbindlichen Absprachen oder Branchen-Standards für den Umgang mit solchen Szenen, sagt Julia. Das sei immer von Fall zu Fall verhandelt worden. Im besten Fall hatten die Schauspieler und Schauspielerinnen Zeit und Raum, die Szenen mit Produktion und Regie abzusprechen.
"Natürlich spricht man da auch über Genitalbedeckung: Wie viel Haut möchte der Schauspieler zeigen und so weiter. Das war bisher nie verbindlich geregelt."
Leider gebe es ziemlich viele negative Erfahrungsberichte, wie die Arbeit am Set nicht laufen soll, sagt Julia Effertz.
Maria Schneider und Salma Hayek
Das bekannteste Beispiel sei Bernardo Bertoluccis "Der letzte Tango in Paris" (1972) mit Marlon Brando und Maria Schneider. Die damals 19-Jährige musste eine Vergewaltigungsszene spielen, die nicht im Skript stand und die mit ihr vorher nicht abgesprochen worden war. Sie wurde am Drehtag selbst davon überrumpelt. In einem Interview sagte Bertolucci 2016, Maria Schneider habe ihn und Marlon Brando dafür ihr Leben lang gehasst und er fühle sich schuldig.
"Als junge unerfahrene Schauspielerin fühlte sich Maria Schneider damals nicht in der Lage, eine Grenze zu ziehen."
Auch bei Julie Taymors Film "Frida" (2002) gab es große Probleme, erzählt Julia Effertz. Der mittlerweile durch den Vergewaltigungs-Skandal zu trauriger Berühmtheit gelangte ehemalige Produzent Harvey Weinstein habe bei dem Film, so Hauptdarstellerin Salma Hayek, Druck auf sie ausgeübt, eine lesbische Liebesszene mit kompletter Nacktheit zu filmen, die sie nie habe filmen wollen. Nur mit Medikamenten habe Hayek die Szene überstehen können, sie sei dadurch traumatisiert worden, berichtet Julia Effertz.