Tim Berners-LeeDer WWW-Erfinder und das Netz der Zukunft
Wir brauchen ein neues Internet! Sagt WWW-Erfinder Tim Berners-Lee. Und hat beim Internet Governance Forum (IGF) gleich mal seine Idee dafür vorgetragen. Die UN-Konferenz findet noch bis Freitag in Berlin statt.
Ein freies Internet für alle – das Ganze mit so viel Privatsphäre und so wenig Datensammeln wie möglich. Diesen neuen Gesellschaftsvertrag hat Tim Berners-Lee als Magna Charta für das Web schon vor einem Jahr auf den Weg gebracht.
Beim Internet Governance Forum (IGF) in Berlin, bei dem am Dienstag (26.11.2019) auch Bundeskanzlerin Merkel und UN-Generalsekretär Guterres sprechen, wurde nun das überarbeitete Projekt präsentiert. Es hat nun 9 Kernprinzipien und 76 Klauseln und ist nachzulesen auf der Website contractfortheweb.org.
Mächtige Partner – ein Widerspruch?
Die Kampagne hat sehr viele mächtige Partner, berichtet unser Netzreporter. Facebook, Google, Reporter ohne Grenzen, Wikimedia, Twitter, Microsoft… man frage sich eher, wer nicht dabei ist. Ob der riesige Unterstützerkreis von mehr als 150 Organisationen und Unternehmen der Vision von Berners-Lee aber tatsächlich hilft, ist zumindest fraglich, sagt Andreas Noll. Der Vertrag sei nämlich nicht konkret genug, sondern sehr vage.
"Berners-Lees neuer Vertrag ist - wohl bewusst - so schwammig gehalten, dass sich möglichst viele dahinter versammeln können. Noch nicht einmal die massive Zensur in China wird dort erwähnt."
Wenn all die zustimmenden Unternehmen 1:1 befolgen würden, was Berners-Lee sich für sein Wunsch-Internet vorstellt, könnten sie "ihre Läden gleich dichtmachen", schreibt Patrick Beuth bei Spiegel Online.
Dabei ist der WWW-Erfinder selbst ja nicht gerade zimperlich. So hat er zum Beispiel schon mal die Zerschlagung der großen Internetkonzerne gefordert. Dieser Gedanke steht aber natürlich nicht im Vertrag, sonst würden ihn nicht so viele Organisationen unterstützen. Aus Sicht von Berners-Lee war das Netz noch nie so bedroht wie heute. Sein "contract for the web" strebt aber scheinbar eher behutsame (Fort)schritte an, um es zu retten.
Bürger sollen ihre "digitalen Rechte" einfordern
Momentan wird an den Tools gearbeitet, die den Fortschritt bei der Umsetzung der Prinzipien dokumentieren sollen, berichtet Andreas Noll. Und auch wir sollen helfen: Die Bürger müssten die Machthaber zur Verantwortung ziehen, ihre digitalen Rechte einfordern und so dabei helfen, online eine "gesunde Diskussion" zu pflegen.
Unternehmen oder Regierungen, die den Vertrag unterstützen, müssen sich für ein freies und offenes Web engagieren – ansonsten sollen sie wieder von der Unterstützer-Liste gestrichen werden. Inwiefern das umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
"Ob und wie solche Sanktionen dann tatsächlich verhängt werden, muss sich natürlich noch zeigen."
Deutschland unterstützt den geplanten Gesellschaftsvertrag von Berners-Lee, inhaltlich wie finanziell: Bundeswirtschaftsminister Altmaier will in den kommenden fünf Jahren 1 Million Euro pro Jahr investieren. Wenn andere Akteure versuchen sollten, Kontrolle über das Netz zu erlangen, werde man sich diesen Versuchen entgegenstellen.
Auch viele andere Politiker, Datenschützer und mächtige deutsche Wirtschaftsbosse haben sich für ein freies Internet ausgesprochen. Ob diese Einigkeit allein allerdings Hassreden, Überwachung durch autoritäre Staaten und den schwunghaften Handel mit unseren Daten eindämmen kann? Unser Netzreporter ist da sehr skeptisch.