Vertreibung der RohingyaMyanmar vor Gericht: Aung San Suu Kyi wird angehört
Schätzungsweise 740.000 Rohingya mussten 2017 aus Myanmar fliehen. Sie wurden gewaltsam vertrieben. Deshalb steht das Land vor Gericht, und Myanmars Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi erscheint zum Prozessauftakt. Sie wird sich selbst und ihr Land verteidigen wollen, so Lena Bodewein, unsere Korrespondentin in Südostasien.
Der Prozess gegen Myanmar wird heute (10. Dezember) am Internationalen Gerichtshof in Den Haag eröffnet. Das westafrikanische Land Gambia wirft Myanmar Völkermord vor: Mit dem Vorgehen der Streitkräfte gegen die muslimische Minderheit der Rohingyas habe das Land gegen die UN-Völkermordkonvention verstoßen. Gambia hat mit Unterstützung der 57 Mitgliedstaaten der Organisation für Islamische Zusammenarbeit die Klage gegen Myanmar eingereicht.
Aung San Suu Kyi will ihr Land verteidigen
Zum Prozessauftakt wird De-Facto-Regierungschefin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi vor Gericht erscheinen. Das ist ungewöhnlich, sagt Lena Bodewein, unsere Südostasien-Korrespondentin. Üblicherweise bleiben Regierungsvertreter solchen Verhandlungen fern. Doch Aung San Suu Kyi wolle ihren Ruf verteidigen, so Lena Bodewein. Die Friedensnobelpreisträgerin weiß, dass viele auf sie schauen und sich fragen, warum sie die Gewalt gegen die Rohingya toleriert habe.
Mit ihrem Auftritt vor Gericht wolle sie aber auch ein Zeichen in ihre Heimat senden. 2020 stehen Parlamentswahlen an und Aung San Suu Kyi kann mit ihrem Erscheinen deutlich machen, dass sie sich stark macht für ihr Land.
"Aung San Suu Kyi will zeigen: Ich will meinen und unseren Ruf verteidigen."
Mit ihrem Auftritt will sie auch Punkte sammeln bei den Militärgenerälen im Land, die weiterhin Macht und Einfluss haben. Aung San Suu Kyi stand jahrelang unter Hausarrest der Militärregierung: 1991 wurde ihr der Friedensnobelpreis verliehen. Ab 2010 setzte in Myanmar schrittweise ein Demokratisierungsprozess ein, der aber noch nicht abgeschlossen ist. Aung San Suu Kyi arbeitet daran, dass es irgendwann eine Verfassungsänderung geben wird, damit sie als Präsidentschaftskandidatin antreten darf. Zurzeit ist sie die Quasi-Regierungschefin im Land.
Verbrechen an den Rohingyas
2017 kam es zu den brutalen Übergriffen auf Rohingyas, der muslimischen Minderheit im Land. Dörfer wurden überfallen und angezündet; die Rohingyas wurden brutal verfolgt. Es gab zahlreiche Vergewaltigungen. Die Zahl der Toten wird auf mehr als 6000 geschätzt. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch haben die Gräueltaten dokumentiert.
Aung San Suu Kyi habe der Vertreibung und dem Mord an den Rohingyas zugeschaut, so Lena Bodewein. Die Politikerin habe die Taten einzelnen fehlgeleiteten Generälen zugeschoben. Außerdem habe sie Berichterstattung in Frage gestellt; die Geschehnisse seien falsch dargestellt worden.
"Aung San Suu Kyi hat diesem Massenmord an den Rohingyas zugesehen."
Doch die Berichte der Rohingyas, die vor allem in das Nachbarland Bangladesch flohen, machten die brutale Verfolgung deutlich. "Niemand kann davor die Augen verschließen, aber genau das hat Aung San Suu Kyi getan", sagt Lena Bodewein.
Im mehrheitlich buddhistischen Myanmar werden die Rohingyas massiv diskriminiert. Sie sind staatenlos und werden von der Mehrheit nicht als Teil Myanmars gesehen. Man sieht sie als illegale Einwanderer aus Bangladesch, doch die Rohingyas leben teilweise seit Generationen in der Region.
Der Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wird Myanmars Ansehen weltweit wohl schädigen. Auch wenn das Gericht die Anklage auf Völkermord zurückweisen wird. Doch die Gräueltaten sind mit dem Prozess zurück im Fokus der Öffentlichkeit. Zugleich ist Myanmar eine noch junge, sehr fragile Demokratie, so Lena Bodewein. Das Land braucht wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen.