Inneres KindWie wir loslassen und nach vorne schauen
Menschen, Orte, Gewohnheiten oder allgemein Vergangenes – manchmal sollte man loslassen. Auch Julia musste das lernen. Was unser inneres Kind damit zu tun hat und wann es Ruhe braucht, weiß der Psychotherapeut Manuel Podlecki.
Keine Pausen, immer möglichst hart arbeiten: Diese Glaubenssätze hat Julia aus ihrer Kindheit unbewusst mitgenommen. Sie haben ihr das Leben als Erwachsene und Mutter von zwei Kindern sehr schwer gemacht.
Irgendwann hatte sie so etwas wie einen Burnout und konnte nicht mehr weitermachen. Sie fragte sich: "Will ich immer an diesen Sachen, die nicht so toll gelaufen sind, festhalten? Oder will ich ein freier, erwachsener Mensch sein, der frei leben kann?"
"Da habe ich gemerkt: Ich komme hier nicht weiter. Ich brauche Hilfe von jemandem, einer Fachperson, die da mit mir zusammen draufschaut."
Während ihrer Therapie hat sie dann festgestellt, dass manches, was sie für eine Charaktereigenschaft gehalten hat, nur Schutzstrategie war. Ihr sind die eigenen, inneren Glaubenssätze im Behandlungsgespräch erst bewusst geworden. Sie konnte das mit Hilfe ihrer Therapeutin aufarbeiten. Auch wenn es im Nachhinein so einfach klingt, war es ein steiniger Weg, sagt Julia. In der ersten Sitzung brach sie in Tränen aus und war danach ziemlich niedergeschlagen.
Der Perfektionismus klopft an
Heute kann sie erkennen, wenn sie in ihr altes, perfektionistisches Muster zurückfällt. Sie kann es sogar körperlich fühlen, sagt Julia.
"Ich habe gespürt, wie es sich in meinem Körper anfühlt, wenn wieder der Perfektionismus kickt."
Das Konzept vom Inneren Kind ist in der breiten Masse angekommen, sagt der Psychotherapeut Manuel Podlecki. Mittels des Begriffs lasse sich wie mit einer sprachlichen Brücke der Kontakt zur eigenen Gefühlswelt herstellen. Manchmal gibt es dafür einen konktreten Anlass: Das können emotionale Lebensereignisse sein, die Themen aus der Vergangenheit berühren und eine emotionale Reaktion hervorrufen.
Den Kontakt zur eigenen Gefühlswelt herstellen
Heirat, Umzug, neuer Job, eigene Kinder nennt Manuel Podlecki beispielhaft. Da lohne es sich, in sich hinein zu spüren und zu merken: Das hat auch was mit der eigenen Person und der eigenen Vergangenheit zu tun. Eine Therapie sei dafür nur dann nötig, wenn der Leidensdruck so groß wird, dass man das Gefühl hat, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können.
"Inneres Kind – das kann man sich eigentlich als sprachliche Symbolik oder eine Brücke vorstellen zu dem kindlichen Schmerz oder auch zu kindlichen Gefühlen."
Mehr noch als therapeutische Befragung und analysierende Selbstbefragung sieht er den Schlüssel zu einem gesunden Lebensgefühl darin, das Tempo herauszunehmen. Die extreme Form wäre, sich einen vierwöchigen Urlaub zu genehmigen, um wirklich einen kompletten Abstand zu haben. Es gehe aber auch ein paar Nummern kleiner – mit alltäglichen Achtsamkeitsmomenten.
"Im Alltag mehr Yoga, Meditation, Achtsamkeit einzubauen. Das ist, glaube ich, das, was wir als Gesellschaft am allermeisten brauchen."