Innerer DialogWarum wir Selbstgespräche führen
Sira findet, dass eigentlich jeder Gedanke ein Selbstgespräch ist. Normalerweise nur in ihrem Kopf, manchmal ausgesprochen und hörbar. Tania Lincoln weiß, woher diese Stimmen kommen. Sie ist Psychologin und forscht zu innerem Sprechen und Schizophrenie.
Irgendwo zwischen einem Gedanken und dem Aussprechen liegt noch etwas: die innere Stimme oder der innere Dialog. Er kann unser Verhalten beeinflussen, uns bremsen, uns anfeuern, Zweifel sähen oder ein Gefühl von Sicherheit verbreiten.
Sira benutzt ihren inneren Dialog ganz bewusst als Stilmittel in ihren Tiktoks. Sie führt aber auch im Alltag regelmäßig Selbstgespräche, bei der Suche nach ihrem Schlüssel zum Beispiel. Meistens läuft das automatisch ab, manchmal macht sie es bewusst, um sich zu konzentrieren. Beim Sport auch, um sich zu motivieren. Stichwort: Situps.
"Ich glaube eigentlich jeder Gedanke, den man hat, ist irgendwie ein Selbstgespräch."
Ihre innere Stimme hat sich mit der Zeit gewandelt. Spiegelte sie früher häufig die negativen Meinungen anderer wieder, stärkt sie heute eher Siras Selbstbewusstsein. Sira sagt, dass sie sich dafür entschieden hat.
Nicht alle Menschen verfügen über ihre innere Stimme, sagt Tania Lincoln. Diejenigen, die innerlich sprechen, tun das durchschnittlich etwa in einem Viertel der Zeit, erklärt die Psychologin. Sie lehrt an der Universität Hamburg und forscht zu diesem Thema und zu Schizophrenie.
Zwei Arten des inneren Sprechens
Sie verweist auf den Ansatz von Charles Ferneyhough, demzufolge es zwei Arten des inneren Sprechens gibt: Das erweiterte innere Sprechen mit stärkeren Merkmalen eines Dialogs und eine verdichtete innere Stimme. Bei letzterer geht es eher um Denken in Bedeutung, eine Form, die weniger konkret und weniger ausformuliert ist.
"Charles Ferneyhough sagt, dass das Verdichtete eher die Standardeinstellung ist und das Erweiterte dann zutage tritt, wenn wir unter Stress stehen oder Herausforderungen meistern müssen."
Diese Zweiteilung mag hilfreich sein. Tania Lincoln weist darauf hin, dass sich in Studien große Unterschiede zwischen verschiedenen Menschen darin ergeben, wie sie inneres Sprechen erleben. In diese Richtung deuten beispielsweise die Untersuchungen von Russell T. Hurlburt.
Mittels der Experience-Sampling-Methode hat er eine enorme Bandbreite festgestellt, was das Vernehmen einer inneren Stimme angeht. Außerdem findet Tania Lincoln bemerkenswert, dass eine Vielzahl der Testpersonen zunächst eine Art Schulung benötigten, um ihre Eindrücke überhaupt sprachlich ausdrücken zu können.
Ein junger Forschungsgegenstand
Grundsätzlich hält sie fest, sei die Forschung in diesem Bereich eher noch in ihren Anfängen. Klar ist für sie aber, dass die innere Stimme bei der Planung, bei der Erinnerung und der Reflektion helfen kann.
Darüber hinaus fungiere die innere Stimme, bezogen auf Alltagserfahrungen, wie eine Selbsterzählung. Das sei wichtig für unser Selbstbewusstsein. Menschen, die eine solche innere Stimme nicht haben, fehle etwas und verringere deren Gefühl für sich selbst.
"Menschen, die eine innere Stimme nicht haben oder diese verlieren, da kommt es zu einer Verringerung dieses Gefühls für sich selbst."