Inhale, exhaleWarum Atmen mehr ist als Luftholen
Mund zu, Nase auf, meint der Atemtrainer Timo Hilgert. Beim Apnoe-Tauchen geht es vor allem um Entspannung, sagt Tolga Taskin, der regelmäßig abtaucht.
In vielen Fällen gewöhnen sich Menschen durch eine schlechte Haltung auch eine schlechte Atmung an, sagt der Atemtrainer Timo Hilgert. Atmen sollten wir am besten durch die Nase – und zwar tief in den Bauch, den wir uns wie einen Ballon vorstellen können und den wir in alle Richtungen aufblasen. Eine schlechte Sitzhaltung im Büroalltag und somit eine falsche Position der Hüfte etwa, könne die richtige Atmung erschweren.
"Der erste Step ist, durch die Nase zu atmen. Durch den Mund zu atmen, hat ein paar physiologische und auch psychologische Nachteile."
Der Körper ist eigentlich darauf ausgelegt, durch die Nase zu atmen, meint Timo. Unsere Nase habe eine Filterfunktion und säubere die Atemluft ein Stück weit von Schmutzpartikeln, aber auch von Viren. Außerdem produziere nur die Nase beim Atmen ein Gas, das die Durchblutung fördere.
Luft holen – auch auf das Atemtempo achten
Ungefähr 80 Prozent unseres Sauerstoffbedarfs, auch beim Sport, könne über das Atmen durch die Nase gedeckt werden. Nur für den maximalen Bedarf brauche es zusätzlich den Mund. Ansonsten habe der Mund für das Atmen eher eine Art Notfunktion – beispielsweise wenn wir erkältet sind und einen Schnupfen haben.
Bei Stress beschleunige sich unsere Atmung. "Der Körper reagiert nur auf die gefühlten Anforderungen, die unser Kopf uns sendet", so der Atemntrainer. Durch eine flache und zu schnelle Atmung, werde unsere Körper in eine Art Stressmodus versetzt – auch dann, wenn wir eigentlich keinen richtigen Stress hätten. Darum sei es wichtig, sich der eigenen Atmung stärker bewusst zu werden.
"Wenn wir länger ausatmen als wir einatmen, verbringen wir mehr Zeit mit der Aktivierung des Entspannungs-Systems. Machen wir das eine Zeit lang, merkt man direkt einen Effekt."
Unsere Atmung sei direkt verknüpft mit dem autonomen Nervensystem, das aus zwei Teilen bestehe. Beim Einatmen werde das sympathische Nervensystem getriggert, was für Aktivität zuständig ist und hochgefahren werde, wenn wir Stress haben. Beim Ausatmen werde das parasympathische System aktiviert, das für Entspannung stehe. Beim Atmen sollten wir daher darauf achten, länger auszuatmen und der Aktivierung des Entspannungs-Systems mehr Zeit zu widmen.
Apnoetauchen - die total Entspannung
Tolga Taskin ist Apnoetaucher. Apnoe ist eine Form des Tauchens, bei der die Sportler ohne unterstützendes, technisches Equipment und nur mit einem Atemzug möglichst lange und oft auch möglichst tief mit angehaltenem Atem zu tauchen. 2020 hat Tolgar sogar einen Weltrekord aufgestellt: Mit einem Atemzug tauchte er fast drei Minuten lang 74,8 Meter tief unter der geschlossenen Eisdecke des Weißensees in Österreich.
Mit Action und Adrenalin hat dieser Sport für Tolga allerdings nichts zu tun. Beim Apnoetauchen gibt es die Regel, dass der oder die Entspannteste gewinnt, sagt er. Dabei werde die Entspannung auch über die Atmung erzeugt.
Beim Tauchen falle der Puls manchmal auf unter 30 Schläge pro Minute. Wenn er unten ankomme, schwerelos sei und nichts mehr höre oder sehe, sei er mental entspannt und spüre nur noch so ein wohliges Gefühl, erzählt Tolga.
"Wenn ich unten ankomme, dann fühle ich nur noch so ein warmes, wohliges, wattiges Gefühle im Bauch."
Vor einem Tauchgang floatet Tolga im Neoprenanzug erst mal fünf bis 30 Minuten an der Wasseroberfläche, um das richtge Mindset zu finden, sagt er. Dabei schwimme er auf den Bauch, atme durch den Schnorchel ganz langsam ein und ungefähr doppelt so lange aus, um runterzukommen.
Bevor es dann in die Tiefe geht, versuche er möglichst viel Sauerstoff mitzunehmen. Dabei müsse er einen Kompromiss finden aus der ganz tiefen Einatmung am Ende und dabei die Entspannung mitzunehmen, die er zuvor erzeugt habe.
Es geht nicht um Grenzerfahrung
Mit Grenzerfahrung habe Apnoetauchen nur wenig zu tun. Tolga taucht oft einfach nur ab, wenn er mal wieder richtig zu sich finden möchte. Das funktioniere auch am Beckenboden eines Schwimmbads. "Dann mache ich die Augen zu, lasse los, entspanne einfach. Wenn ich das Gefühl habe, ich würde gerne wieder atmen, dann tauche ich auf", sagt er.
Zwischen vier und sechs Minuten lang schaffe er es bei einem Tauchgang, die Luft anzuhalten. Verschiedene Symptome würden dem Körper mitteilen, wie stark die Sauerstoffsättigung fällt und wann er wieder an die Wasseroberfläche muss. Das herauszufinden sei erlernbar, erfordere aber viel Training und Zeit. "Dabei geht es auch um das Thema Sicherheit. Man muss erst einmal lernen, was passiert unter Wasser, welche Symptomatiken verspüre ich und wie muss ich diese einordnen", sagt Tolga.