Vor den PräsidentschaftswahlenIndonesien: Weniger Toleranz - mehr Diskriminierungen
Der Einfluss islamischer Fundamentalisten ist in Indonesien in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen. Von der "Einheit in Vielfalt" seit der Unabhängigkeit 1945 ist nicht mehr viel übrig.
Indonesien ist ein riesiger Inselstaat, erklärt die ARD-Korrespondentin für Indonesien, Lena Bodewein. Mehr als 255 Millionen Einwohner verteilen sich auf die 17.508 Inseln. Am 17. August 1945 erklärt sich die ehemalige niederländische Kolonie für unabhängig. Schon damals haben muslimische Gruppen versucht, aus Indonesien einen islamischen Staat zu machen. Doch die Verfassung wurde unter das Motto "Einheit in Vielfalt" gestellt – Religionsfreiheit und das Recht auf kulturelle Identität wurden unter anderem garantiert.
Langjährige Diktatur prägte Indonesien
Über die Jahrzehnte sind diese Freiheiten nach und nach beschnitten worden. Die Militärdiktatur unter General Suharto führte 1965 das "Anti-Blasphemie-Gesetz" ein, das die Einwohner zwang, sich zu einer der fünf anerkannten Religionen zu bekennen. Dazu gehören Islam, Christentum, Hinduismus und Buddhismus. Viele traditionelle Religionen und der Konfuzianismus galten nicht mehr als Religion.
Heute berichten Medien über eine wachsende religiöse Intoleranz. Die Regierung führte 2018 eine "Häresie-App" ein. Mithilfe von "Smart Pakem" können User den Behörden "unorthodoxe Interpretationen" der offiziellen Religionen melden.
"Wenn man sich nicht auf eine bestimmte Art kleidet, attackieren sie dich."
Indonesien hat mit 191 Millionen Muslimen die größte muslimische Bevölkerung weltweit. 88 Prozent der Indonesier sind Muslime. Deren fundamentalistische Ansichten und die Intoleranz gegenüber Andersgläubigen, Atheisten oder der LGBT-Community sind radikaler geworden. Frauen werden beschimpft und attackiert, wenn sie sich nicht an fundamentalistische muslimische Kleidervorschriften halten, sagt Lena Bodewein.
"Wer nicht in langer Hose und langarmigem T-Shirt baden geht, wird angestarrt oder sogar angefeindet."
Lena Bodewein erklärt, dass dieser religiöse Fundamentalismus nicht im ganzen Staat gleich stark sei. Während man in der Provinz Aceh einer sehr streng muslimischen Bevölkerung gegenüber steht, geht es auf der Touristeninsel Bali locker zu. Hier könne man im Bikin baden gehen, während man in vielen anderen Gegenden nur noch komplett bekleidet mit langer Hose und langarmigem T-Shirt baden kann.
"In den vergangenen zehn Jahren habe ich immer mehr Frauen mit Hijab gesehen. Vor zehn Jahren haben sie sich gemäßigt verhalten, aber jetzt kommen sie zu mir und fragen mich: Wann fängst du denn damit an, es zu tragen?"
Noch ist ein gemäßigter Muslim im Präsidentenamt. Joko Widodo wird wieder bei den Präsidentschaftswahlen am 17. April kandidieren. Doch Lena Bodewein berichtet, dass sich immer mehr Menschen in sozialen Netzwerken oder bei Umfragen eine stärker muslimisch ausgerichtete Regierung wünschten. Wissenschaftler sehen den Ursprung für diesen Konservatismus in der langjährigen Diktatur General Suhartos, die erst 1998 endete, berichtet Lena Bodewein.
Nach Ende der Diktatur sei zwar wieder die freie Meinungsäußerung zugelassen worden. Doch die haben auch die fundamentalistischen Kreise für sich genutzt, um sich zu organisieren und mehr Unterstützer zu gewinnen. Vor allem in West-Java und Süd-Sulawesi häufen sich die Beispiele für Intoleranz, sagt Lena Bodewein.
"Politiker haben begonnen die Religionskarte zu spielen, um Wähler zu gewinnen. Islamistische Hardliner-Organisationen haben das Potenzial gesehen, die Wahlen zu beeinflussen."
Um seine Wahlaussichten zu verbessern, hat sich Joko Widodo einen Mann ins Boot geholt, der später als sein Vize-Präsident die Regierungsgeschäfte mit übernehmen soll. Es ist Mar'uf Amin, der Anführer der größten muslimischen Organisation des Landes. Bislang führt Joko Widodo mit 53 Prozent Zustimmung unter den Wählern, sagt Lena Bodewein.
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