Schwächung der DemokratieAfghanistan: Streit um das Präsidentenamt

Eigentlich ist Ashraf Ghani der alte und neue Präsident in Afghanistan und soll in sein Amt eingeführt werden. Doch sein Kontrahent Abdullah Abdullah will sich auch als Präsident bestätigen lassen. Der Machtkampf in Kabul schadet der Demokratie und spielt den Taliban in die Hände. Falls es zwei Regierungen geben sollte, wäre das für Silke Diettrich, ARD-Korrespondentin in Südasien, eine politische Bankrotterklärung.

Heute (9. März) soll der neue Präsident Afghanistans in sein Amt eingeführt werden. Doch die Zeremonie droht zu platzen, denn es gibt zwei Politiker, die beide für sich in Anspruch nehmen, Präsident zu sein. Um den Posten streiten sich Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah.

Die Afghanen hatten bereits im September 2019 einen neuen Präsidenten gewählt. Damals hatten nur rund 15 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimme abgegeben und am Wahltag selbst hatte es Angriffe auf Wahllokale gegeben. Im Dezember wurde dann ein vorläufiges Wahlergebnis veröffentlicht, das Ashraf Ghani vor seinem Kontrahenten Abdullah Abdullah platzierte. Doch Abdullah Abdullah zweifelte das Ergebnis an und der Streit über die Stimmen und ihre Gültigkeit ging weiter. Bis zum Februar, als Ashraf Ghani von der Wahlkommission offiziell als Präsident bestätigt wurde.

Vor sechs Jahren machten die USA noch Druck

Eine ähnliche Situation gab es bereits vor sechs Jahren, so Silke Diettrich, ARD-Korrespondentin Südasien. Damals wurde das Amt des Präsidenten gesplittet, denn eigentlich ist der Präsident in Afghanistan Staats- und Regierungschef in einer Person. Als bereits vor sechs Jahren die Rivalität zwischen Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah hochkochte, vermittelten die USA. Nach Druck aus Washington gab es eine Lösung. Das Amt wurde aufgeteilt: Ashraf Ghani wurde Staatschef, Abdullah Abdullah Regierungschef.

Diesmal sieht es jedoch nicht nach einem möglichen Kompromiss aus. Viel eher könnte es passieren, dass sich beide Männer tatsächlich zum Präsidenten ausrufen. Für Silke Diettrich wäre das eine Bankrotterklärung der Politik in Afghanistan. Es wäre auch eine herbe Enttäuschung für jene Bürger in Afghanistan, die weiterhin an die Demokratie im Land glauben.

"Das wäre eine totale Bankrotterklärung an das komplette politische System in Afghanistan."
Silke Diettrich, ARD-Korrespondentin Südasien

Gibt es keine Lösung in Kabul, wäre das auch fatal für die Verhandlungen mit den Taliban. Zuletzt hatten die USA mit den Taliban in Afghanistan ein Friedensabkommen ausgehandelt. An den Gesprächen war die Regierung Afghanistans nicht beteiligt.

Laut Abkommen sollen ausländische Truppen binnen 14 Monaten abgezogen werden, wenn die Taliban eine zugesicherte Waffenruhe einhalten. Außerdem sollen die Taliban bestimmte militante Gruppen nicht mehr unterstützen. Ebenso soll es einen Gefangenenaustausch geben, doch dieser kann nur stattfinden, wenn die afghanische Regierung zustimmt.

Diesmal gibt es niemanden, der schlichtet

Für die weiteren Verhandlungen mit den Taliban ist eine geeinigte und starke Regierung in Afghanistan entscheidend. Es geht um die Zukunft des Landes, doch die Regierung in Kabul ist zerstritten – und anders als vor sechs Jahren halten sich die USA diesmal raus.

"Ich sehe im Moment überhaupt niemanden, der schlichten könnte. Außer die beiden Kontrahenten selbst."
Silke Diettrich, ARD-Korrespondentin Südasien

Gibt es keine Lösung zwischen Abdullah Abdullah und Ashraf Ghani, spielt das den Taliban in die Hände. "So ist es für die Taliban sehr viel einfacher, ihre eigenen Vorstellungen durchzusetzen", so Silke Diettrich.