Corona-ImpfstrategieEs braucht mehr Impfstoffe für eine schnelle Gruppenimmunität
Gerade warten viele ungeduldig auf die Zulassung des Impfstoffs von Biontech und Pfizer. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn könnten bis zum Ende des Sommers nächsten Jahres 60 Prozent der Deutschen geimpft sein. Ein ehrgeiziges Ziel, findet Wissenschaftsjournalist Volkert Wildermuth. Am Anfang werde der Impfstoff Mangelware sein.
Am 21. Dezember möchte die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) ihr Gutachten für die Zulassung des Impfstoffs von Biontech und Pfizer vorlegen. Die Impfzentren sind seit Mitte Dezember bereit. Die Hoffnung ist also groß, dass das Impfen bald beginnt.
Erst mal Impfdosen für 6,5 Millionen der Deutschen
Für eine Gruppenimmunität gegen das neuartige Coronavirus von 60 Prozent müssen 50 Millionen Menschen in Deutschland geimpft werden – und das zwei Mal. Im ersten Quartal 2021 sollen aber erst Impfdosen für 6,5 Millionen Menschen nach Deutschland kommen. Das bedeutet: Am Anfang ist der Impfstoff von Biontech und Pfizer erst mal Mangelware, erklärt Wissenschaftsjournalist Volkert Wildermuth. Jetzt sei es entscheidend, dass die EU weitere Impfstoffe zulässt. Geprüft werden gerade Anträge für Impfstoffe von Moderna als auch der Universität Oxford und Astrazeneca.
"60 Prozent Ende Sommer ist zu schaffen, aber nur, wenn wirklich alles funktioniert. Erst mal ist Mangelverwaltung angesagt."
Was dann noch fehlt, ist eine endgültige Impfstrategie. Einen Entwurf von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für Deutschland gibt es schon. Der teilt die Bürgerinnen und Bürger in sechs Risikogruppen ein.
- Sehr hohe Priorität: Stark gefährdete Personen wie Bewohner und Bewohnerinnen in Altenpflegeheimen, Personen über 80 Jahre, medizinisches Personal mit hohem Ansteckungsrisiko (Notaufnahme, Covid-19-Stationen) und Personen, die besonders gefährdete Gruppen betreuen wie Pflegepersonal. Das sind etwa 8,6 Millionen Menschen.
- Hohe Priorität: Senioren zwischen 75 und 80 Jahre, Menschen mit Demenz oder einer geistigen Behinderung und das Personal, das sie in den Einrichtungen betreut. Hierzu zählen ungefähr 6,7 Millionen Personen.
- Moderate Priorität: Menschen zwischen 70 und 75, Vorerkrankte mit erhöhtem Risiko und ihre engsten Kontaktpersonen, Personal in medizinischen Einrichtungen und in den Gesundheitsämtern mit einem moderaten Ansteckungsrisiko. Das sind rund 5,5 Millionen Deutsche.
- Erhöhte Priorität: Menschen zwischen 65 und 70, Lehrerinnen, Erzieher, Beschäftigte in Verteilzentren oder in Schlachtereien. Etwa 6,9 Millionen Menschen machen diese Gruppe aus.
- Gering erhöhte Priorität: Menschen zwischen 60 und 65 Jahre, Feuerwehr, Polizei, Personal aus Landes- und Bundesregierung, Beschäftigte im Einzelhandel und im öffentlichen Nahverkehr. Hierzu zählen 9 Millionen Bürgerinnen und Bürger.
- Niedrige Priorität: Das sind alle übrigen 45 Millionen Personen, die unter 65 Jahre alt sind und das niedrigste Infektionsrisiko haben.
Nächste Woche soll der Impfstoff zugelassen werden. Ungefähr zeitgleich rechnet die Stiko damit, eine endgültige Empfehlung für eine Impfstrategie abzugeben. Bislang hat sie einen vorläufigen Entwurf an die Länder, medizinische Fachgesellschaften und Gremien wie den Ethikrat verschickt. Sie hatten bis zum 10. Dezember Zeit, ihre Anmerkungen einzureichen.
"Entscheidung über Leben und Tod"
Die Diskussion um die Impfreihenfolge ist groß. Nicht nur Expertinnen, auch Politiker wollen mitreden. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zum Beispiel möchte Parlamentarier als höhere Risikogruppe einstufen lassen, die Innenministerien der Länder sehen hingehen bei Polizistinnen und Polizisten ein stärkeres Infektionsrisiko.
Deshalb hat die FDP zur Impfstrategie einen Gesetzentwurf eingereicht, der die Entscheidungsmacht an das Parlament übergeben soll statt an die Bundesregierung. Bei der Impfreihenfolge gehe es um Leben und Tod, sagte Stefan Thomae, FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag.
Stiko-Empfehlung wahrscheinlich Vorgehensweise
Nachdem die Stiko ihre Empfehlung abgegeben hat, wird als Nächstes das Bundesgesundheitsministerium alle Details in eine Rechtsverordnung übersetzen. Volkert Wildermuth rechnet damit, dass im Anschluss die Vorgaben der Stiko mit kleineren Änderungen von der Bundesregierung zum Großteil übernommen werden. Und dann könnte es vor Weihnachten losgehen mit dem Impfen.