IdentitätWir sind immer mal wieder jemand anderes
Ab einem bestimmten Alter wissen wir, dass wir schüchtern, extrovertiert oder sensibel sind, und können sicher sein: Das bleibt auch so. Diese Eigenschaften sind Teil unserer Persönlichkeit, die sich ab Anfang zwanzig kaum noch verändert. Unsere Identität hingegen ist wandelbar.
Wenn wir in unser Portemonnaie schauen, finden viele von uns einen Personalausweis, unsere ID-Card, die unsere Identität bescheinigen kann. Aber was verbirgt sich eigentlich hinter diesem Begriff? Frank Henschke ist Psychologe und erklärt, dass die Identität von fünf verschiedenen Säulen getragen wird: Körperlichkeit, Wertvorstellung, Arbeit und Leistung, sozialen Netzwerken und materieller Sicherheit. Identitäten verändern sich laut Henschke zwar nicht plötzlich, sind aber im Prozess sehr stark wandelbar. Zum Beispiel können Krisen solche Entwicklungen auslösen.
"Trennungen, Arbeitslosigkeit oder die Tristesse im falschen Beruf können den Gedanken bringen – eigentlich bin ich hier verkehrt."
Bis zur Pubertät hinterfragen wir unsere eigene Identität und gerade Wertvorstellungen kaum. Doch irgendwann wollen wir uns von anderen Menschen, und insbesondere unseren Eltern, abgrenzen. Während dieser Zeit können wir sehr viele Identitätswechsel mitmachen, sagt Frank Henschke. Viele können sich bestimmt noch gut erinnern, welche unterschiedlichen Phasen wir als Teenies durchgemacht haben. Wir haben unsere Haare blau gefärbt oder hatten den festen Plan, Rapper zu werden. Aber auch im Erwachsenenalter können wir uns noch stark verändern, das ist oft eine große Chance. Einige Menschen scheitern allerdings auch an zu hohen Erwartungen.
"Leute wollen an Kindheitsträume anknüpfen, setzen alles auf eine Karte und denken ein Neuanfang muss her. Dann stellen sie fest, dass das gar nicht so leicht ist."
Persönliche Krisen können Identitätsveränderungen auslösen
Eine ganz typische Phase der Veränderung ist für viele die Zeit nach einer Trennung. Wir legen uns einen neuen Haarschnitt zu, beginnen mit einem Sportkurs und wollen ein neues Ich spüren. Bei den einen klappt es, bei den anderen nicht und das ist oft in Ordnung so. Aber es gibt auch Entwicklungen, die uns hinterher härter treffen können. Was ist zum Beispiel, wenn ich meinen Job wechsle und es hinterher bereue? Psychologe Frank Henschke unterscheidet zwischen drei verschiedene Stufen – Komfortzone, Risikozone und Traumazone und sagt, dass wir einen guten Mittelweg finden müssen.
"Ich würde empfehlen: Wage dich immer aus der Komfortzone raus. Aber vielleicht nicht direkt in die Traumazone, mit einem Friseursalon auf Mallorca."
Wenn wir uns danach fühlen, können wir ständig unsere Identität verändern und auch viel positive Energie daraus ziehen. Denn Psychologe Frank Henschke sagt auch – wir bereuen am Ende nur die Dinge, die wir nicht ausprobiert haben. Unsere Persönlichkeit ist übrigens im Gegensatz zur Identität in den meisten Fällen ab Anfang zwanzig voll entwickelt und verändert sich kaum. Wir können also nicht darüber entscheiden, ob wir eher sensibel oder extrovertiert sind, aber immerhin unseren Job, unsere Werte und Überzeugungen infrage stellen.