IdentitätComing-Out: Wie ein grauer Schleier
Sein inneres Coming-Out hatte Marcel Mann schon früh, trotzdem wollte er in der Schule kein öffentliches Spektakel daraus machen. Weil es für ihn persönlich keine Rolle gespielt hat, aber auch gleichzeitig, weil er sich vor gesellschaftlichen Ressentiments schützen wollte.
Aufgewachsen in der baden-württembergischen Provinz hat Comedian und Synchronsprecher Marcel Mann seine Homosexualität erst mal für sich behalten. In erster Linie, weil — wie er sagt — er schon immer schwul war und "nicht von einer schwulen Spinne gebissen wurde".
Deshalb habe er keine Lust auf ein öffentliches Outing gehabt. Als er im Teenageralter mit seiner Mutter über Liebeskummer spricht, erwähnt er fast wie beiläufig, dass es um einen Mann geht.
"Ich hatte immer das Bedürfnis mich zu schützen, deshalb habe ich es nicht an die große Glocke gehängt."
Seine Mutter ist weniger mit der Tatsache überfordert, dass ihr Sohn auf Männer steht, als damit dass er Liebeskummer hat: "Wir waren uns vorher noch nie so nah wie im Moment des Outings." Auch seine Freundinnen und Freunde sind wenig verwundert, als Marcel ihnen irgendwann von seinem Freund erzählt. Und obwohl sein näheres Umfeld positiv mit seiner Homosexualität umgeht, beschreibt er seine Jugend in der Provinz als einen Spießrutenlauf.
Denn während er sich seiner Sexualität völlig klar ist, hat er Angst vor den Reaktionen derer, die Vorurteile haben. Marcel weiß, dass schwul sein immer noch ein Schimpfwort ist. Diesem Risiko möchte er nicht ausgesetzt sein — deshalb zieht er sich immer weiter zurück.
Schwul sein ist auf manchen Schulhöfen noch immer ein Schimpfwort
Er lebt in ständiger Angst, dass ihn fremde Menschen einfach outen, sich über ihn lustig machen und entblößen: "Es war einfach eine ständige Bedrückung und liegt wie ein grauer Schleier über meine Jugend." Heute, 15 Jahre später, überlegt Marcel manchmal, ob es damals nicht einfacher gewesen wäre, sich einmal öffentlich zu outen. Auch um sich selbst vor Denunzierung zu schützen.
"Man hat ständig die Angst im Nacken, dass man geoutet wird."
Grundsätzlich hat Marcel das Gefühl, dass die Reaktionen auf Outings immer besser werden und es Leuten leichter gemacht wird, zu ihrer Sexualität und Identität zu stehen. Gerade wenn Personen des öffentlichen Lebens offen zu ihrer Homosexualität stehen würden, habe das eine Signalwirkung: "Das zeigt Leuten, dass sie nicht allein damit sind."
Und obwohl wir oft das Gefühl haben, dass ein Coming-Out in 2020 nichts Ungewöhnliches mehr ist, gibt Marcel Mann zu bedenken: "Es ist immer ein Risikofaktor sich zu outen. Es kann einem ganz viel geben, aber auch nehmen."