Thanh über das Aufwachsen im DDR-Block"Ich träume noch heute von diesem Ort"
Thanhs Eltern kommen aus Vietnam, doch sie ist in einem sächsischen Plattenbau aufgewachsen. Wie sie das geprägt hat, verrät sie uns im Gespräch.
Thanh ist in der Plattenbausiedlung "Sorge" in Sachsen großgeworden. Ihre Eltern waren aus Vietnam als Textilarbeiter in die DDR gekommen. Im Gespräch mit uns erinnert sie sich an ihre Kindheit in der "Sorge" zurück. "Ein klassisches Plattenbaugebiet, sehr grau", meint sie. An den Alltag in der Siedlung hat sie aber viele schöne Erinnerungen.
"Wie wir im Sommer draußen gegrillt haben und die ganze vietnamesische Community sich versammelt hat."
Zwischen "Kleinvietnam" und Rassismus
Dabei empfand Thanh die Plattenbauten selbst gar nicht als schön. Aber darum ging es auch nicht: Wichtig war das Lebensgefühl in der Gemeinschaft. "Es war ein Ort, an dem man sich sicher gefühlt hat." Weil viele Menschen in der Siedlung mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten, entstand für die junge Thanh ein Gefühl der Vertrautheit.
Doch es war nicht alles schön in der "Sorge". "Es gibt auch schlechte Erinnerungen, die ich habe." Denn: In Sachsen sei Thanh damals oft mit Rassismus konfrontiert worden. So habe es etwa in einem Haus, in dem Thanh wohnte, einmal gebrannt, mutmaßlich: Brandstiftung.
"Wenn wir als Kinder bis spät in die Nacht gespielt haben, gab es schon vereinzelte verbale Angriffe."
Lebensträume
An das Aufwachsen in der "Sorge" denkt Thanh dennoch gern. So taucht der Ort heute immer wieder in ihren Träumen auf: "Eine Mischung aus meiner Realität von heute, mit all den Momenten, die passieren – aber sie passieren in der "Sorge"."
Dabei spielt die "Sorge" nicht nur in ihren Träumen eine Rolle. Mit einigen Freunden von damals ist Thanh heute noch eng verbunden. Gemeinsam mit ihnen ist sie nach dem Abitur nach Berlin gezogen, während die meisten Eltern in Sachsen geblieben sind.
"Das ist Teil von uns. Die Community existiert immer noch. Unsere Eltern feiern immer noch jedes Jahr die vietnamesischen Feste."
Seitdem Thanh für einen eigenen Film über die "Sorge" und Vertragsarbeiter recherchiert hat, hat sie viel über ihre Familie gelernt. "Ich habe verstanden, woher der Druck von den Eltern kam, ein besseres Leben zu haben als das, was sie in Vietnam hatten."
Im übrigen verbindet Thanh Heimat nicht mit einem Ort, sondern mit einem Gefühl der Zugehörigkeit, wenn sie sich in einem vertrauten Umfeld fallen lassen kann.