Hybride KriegsführungDie Gruppe Wagner

Jewgeni Prigoschin wächst arm auf und wird früh kriminell. Später steigt er als Caterer zum "Koch des Kreml" auf. Mit seinem Vermögen gründet er seine Privatarmee Gruppe Wagner. Drohgebärden gegenüber Putin werden ihm später wohl zum Verhängnis.

Am 23. Juni 2023 gehen erstaunliche Bilder um die Welt. Schwer bewaffnete Einheiten der Gruppe Wagner marschieren in Richtung Moskau und drohen damit, den Verteidigungsminister für Versäumnisse an der Front in der Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen. Plötzlich stoppt die Kolonne und bricht das Vorhaben ab.

Die Kämpfer der Gruppe Wagner gehen nach Belarus, ihr Anführer Jewgeni Prigoschin wird einige Tage später angeblich in Afrika gesichtet. Hat es sich um einen Putschversuch gehandelt? Was wird nun aus der halbstaatlichen Terrorgruppe Wagner – und wie wird Wladimir Putin reagieren?

Entledigte sich Putin eines potenziellen Kontrahenten?

Genau einen Monat nach Beginn des Aufstands ist klar, was mit Prigoschin passiert: Er sitzt an Bord einer Embraer Legacy auf dem Weg von Moskau nach Sankt Petersburg, als das Flugzeug plötzlich abstürzt. Nach Einschätzungen von US-Geheimdiensten war wahrscheinlich eine Explosion an Bord des Flugzeugs die Ursache. Alle Insassen werden später tot geborgen.

Der Kreml ließ jede Verantwortung dementieren – doch laut den Erkenntnissen westlicher Geheimdienste ist der Flugzeugabsturz auf Befehl oder zumindest im Wissen Putins geschehen. Auf diese Weise konnte der russische Präsident einen mächtigen Oligarchen und Anführer einer Privatarmee loswerden, der eine Gefahr für ihn und seine autokratische Macht darstellte.

Schwerkriminelle Vergangenheit

Jewgeni Prigoschin kommt aus ärmlichen Verhältnissen, besucht als junger Mann eine Sportakademie. 1979 wird er erstmals verurteilt – wegen Diebstahl. Zwei Jahre später fliegt ein Raubüberfall auf, ihm werden Wohnungseinbrüche und Prostitution mit Minderjährigen vorgeworfen. Von den 13 Jahren Haft, zu denen er verurteilt wird, muss er neun in einem Straflager absitzen.

"2014 begann der hybride Krieg: Es gab Desinformationskampagnen und die Vermischung von regulären russischen Truppen mit Milizen. Das war das Hauptaufgabengebiet von Terrorgruppen wie Wagner."
Matthias von Hellfeld, Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte

Nach der Haft steigt Jewgeni Prigoschin vom Hotdog-Verkäufer zum Besitzer eines Edelrestaurants auf. Er lernt Wladimir Putin kennen, wird Caterer bei Staatsbesuchen und dringt in den Kreis von Vertrauten des Präsidenten vor: Er wird der "Koch des Kreml" und nutzt seine Geschäftsbeteiligungen an diversen Firmen zum Aufbau eines ansehnlichen Privatvermögens. Mit diesem Geld finanziert er seine Privatarmee – die Gruppe Wagner, die am 1. Mai 2014 aufgestellt wird.

Ihr hört in Eine Stunde History:

  • Der DLF-Korrespondent Florian Kellermann beschreibt die Gruppe Wagner und ihren Chef Jewgeni Prigoschin
  • Der Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder beleuchtet das Verhältnis zwischen Putin und Prigoschin
  • Innsbrucker Historiker Robert Rebitsch befasst sich mit Warlords wie Prigoschin oder Wallenstein im Dreißigjährigen Krieg
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld blickt zurück auf die ersten Einsätze der Gruppe Wagner, bevor sie in der Ukraine an der russischen Invasion beteiligt waren
  • Deutschlandfunk-Nova-Reporter Armin Himmelrath hat ein fiktives Bewerbungsgespräch eines ehemaligen Warlords bei der Agentur für Arbeit belauscht