Gewalt gegen LGBT+ in BrasilienDavid Mirandas Kampf für LGBT+-Rechte in Brasilien
Wer in Brasilien zur LGBT+-Szene gehört, kennt den Zwiespalt. Den Zwiespalt zwischen Community-Gefühl und existenzieller Angst. Die Gesetzeslage ist fortschrittlich, aber Präsident Jair Bolsonaro ist ein absoluter Schwulenhasser, fast täglich gibt es homophobe Morde. Der offen homosexuelle David Miranda hat uns erzählt, wie es für ihn ist, im brasilianischen Parlament zu sitzen.
Marielle Franco wurde im März 2018 auf offener Straße in Brasilien ermordet. Die lesbische, schwarze Stadträtin von Rio de Janeiro ist längst zur Symbolfigur des Kampfs für Frauenrechte und LGBT+-Rechte geworden – genauso wird sie aber in Verbindung mit Protest gegen die brasilianische Regierung genannt.
Beinahe jeden Tag gibt es in Brasilien einen homophob-motivierten Mord. Und die Haltung des Präsidenten, macht die Lage für die LGBT+-Szene nicht einfacher.
Ein Präsident, der gegen Minderheiten hetzt
Jair Bolsonaro hetzte 2010 beispielsweise in einem Fernsehinterview: "Wenn der Sohn anfängt, ein bisschen schwuchtelig zu werden, bekommt er eine Tracht Prügel. Das ändert sein Verhalten." – Bolsonaro hetzt aber nicht nur gegen Schwule, er spricht auch abfällig über Frauen, Schwarze und Linke, findet Umweltschutz lächerlich und verherrlicht die Militärdiktatur.
Für David Miranda ist der Job als Parlamentarier nicht leicht. Er ist einer von zwei offen schwul- oder bisexuell lebenden Menschen im Parlament. Insgesamt sind es 513 Abgeordnete.
Schwule Politiker bekommen Morddrohungen
David Miranda hat das Amt von Jean Wyllys übernommen. Jean Wyllys war 2010 als erster schwuler Abgeordneter ins Parlament eingezogen. Nach der Ermordung seiner Kollegin Marielle Franco und mit dem Amtsantritt von Bolsonaro floh er ins Exil. Er hatte viele Morddrohungen erhalten. Morddrohungen, von denen er sich sicher war, dass sie ernst gemeint sind. Allein 2018 hat eine NGO 320 homo- oder transfeindliche Morde in Brasilien gezählt.
Auch David Miranda bekommt Morddrohungen. Wenn er unterwegs ist, wird er von vier Leibwächtern überwacht. Die Anspannung ist ihm anzusehen. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Ruth Eisenreich zeigt er auf einer Autofahrt seine Hand. Sie zittert.
Die Sicherheitsmaßnahmen seien extrem hochgefahren worden in letzter Zeit, sagt David Miranda und das mache viele Dinge sehr real. Das sei heftig für ihn.
"Der Geist ist stark. Aber mein Körper ist aufgewühlt. Heute hatte ich eine stärkere Angstattacke."
David Mirandas Biografie ist erstaunlich. Unter allen anderen Parlamentsabgeordneten sticht er heraus. Nicht nur, weil er schwul ist. David Miranda ist auch schwarz, was nur ein Viertel der Abgeordneten ist, und er wuchs im Armenviertel, der Favela, auf.
Zuletzt wurde der Druck auf ihn noch einmal besonders groß, als öffentlich wurde, dass er mit Glenn Greenwald verheiratet ist – einem Enthüllungsjournalisten. Schnell gab es Verschwörungstheorien und die Regierung reagierte mit Attacken auf das Ehepaar, in den sozialen Medien wurden sie homophob beleidigt.
Schließlich folgten auch Morddrohungen, die sich nicht nur gegen die beiden richteten, sondern auch gegen die beiden adoptierten Söhne und David Mirandas Mutter.
Rechtslage für Schwule und Lesben in Brasilien fortschrittlich
David Miranda kennt aber auch die andere Seite: Die starke und lebendige LGBT+-Community in Brasilien. Die Pride Parade in Sao Paulo gilt als die größte der Welt, einer der größten Popstars Brasiliens ist eine Dragqueen. Auch die Rechtslage ist fortschrittlich: Homosexualität war nie verboten, die Ehe für alle hatte Brasilien vier Jahre vor Deutschland. Und vor Kurzem hat das oberste Gericht Homophobie für strafbar erklärt.
David Miranda gibt sich nicht nur kämpferisch, sondern auch hoffnungsvoll. Beispielsweise wenn er auf der Pride Parade eine Rede hält. Miranda konstatiert, dass das Land unter Bolsonaro grausam ist, "zu schwarzen Jugendlichen, zu Trans-Menschen, zu LGBTs, zu Indigenen. Aber unser Land kann ein bisschen mehr Hoffnung haben", sagt er.
David Miranda hofft auf starke Community und politischen Wandel
Den Schlüssel sieht er darin, dass sich die Community politisiert habe.
"Nie haben die Leute so viel über Politik geredet in diesem Land. Wenn wir uns gemeinsam organisieren, gibt es nichts, was diese Typen aufgebaut haben, was wir nicht auch könnten."
David Mirandas Hoffnung für die Zukunft hat er auf Flyer geschrieben. Er verteilt sie auf der Pride Parade. Auf ihnen steht: "Die LGBTs werden Bolsonaro stürzen."