HogwartsWarum wir uns nach einer magischen Welt sehnen
Angie ist Harry-Potter-Fan und teilt ihre große Leidenschaft auch auf Instagram. Wieso wir uns manchmal gerne in Fantasiewelten begeben und wie hilfreich das sein kann, erklärt die Psychotherapeutin Denise Ginzburg-Marku.
Die siebenteilige Harry-Potter-Reihe der britischen Schriftstellerin J. K. Rowling ist weltweit 500 Millionen Mal verkauft und in 80 Sprachen übersetzt worden. Der erste Teil ist 1997 erschienen, der letzte 2007. Alle Teile wurden verfilmt und feierten in den Kinos große Erfolge. Viele Millennials verbinden mit den Zauberschüler*innen Harry, Ron und Hermine, die auf der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei in Sachen Magie unterrichtet werden und wilde Abenteuer erleben, ihre Kindheit.
Ein Zimmer für Harry Potter
Die 28-jährige Angie ist so ein Potterhead, wie die Harry-Potter-Fans genannt werden. Sie hat ein ganzes Zimmer voll mit einer magischen Sammlung verschiedenster Harry-Potter-Fanartikel und teilt ihre Begeisterung dafür auf Instagram und @magieverliebt. In dem "magischen" Zimmer befindet sich ein Bücherregal, ein Lesesessel und Bilder und Poster aus der Potterwelt an den Wänden. Dann kommen noch Gegenstände dazu wie Zauberstäbe oder Repliken von Glasphiolen mit Zaubertränken wie Felix Felicis oder Amortentia.
Einzigartig in ihrer Sammlung sind die Gepäckwagenaufkleber, die für die Filme verwendet wurden. Denn die Gepäckwagen wurden in Kassel hergestellt, wo Angie eine Zeit lang wohnte, und die Firma hatte Angie zur Besichtigung eingeladen und ihr die Aufkleber geschenkt.
Auf einer Skala von eins bis zehn ordnet sich Angie bei neundreiviertel ein. Potterheads wissen sofort Bescheid: Neundreiviertel ist das Gleis, von dem aus der Zug nach Hogwarts fährt.
"Meine beste Freundin habe ich durch Harry Potter kennengelernt."
Die Faszination für die Harry-Potter-Reihe hängt bei Angie mit vielen außergewöhnlichen Dingen zusammen, die sie als Kind machen durfte. Zum Beispiel hat der Buchladen die neuen Harry-Potter-Bücher nachts um Mitternacht verkauft und Angie durfte aufbleiben, um sich dort anzustellen und den neuesten Band zu kaufen. Sie durfte lange aufbleiben, um die Bücher zu lesen. 2001 war Angie zum ersten Mal in dem Harry-Potter-Film "Der Stein der Weißen".
"Es waren so besondere Sachen, die ich für Harry Potter machen durfte, die mich quasi in diese Faszination getrieben haben."
Heute liest sie übers Jahr immer noch immer wieder die Bücher oder schaut sich die Filme an. Angie verbindet damit ein Gefühl des Nachhausekommens. Mit den Büchern verbindet sie einen Ort, an den sie sich zurückziehen kann.
Transfeindliche Äußerungen J. K. Rowlings
Für Angie sei es schwierig, Harry Potter loszulassen, weil J. K. Rowling transfeindliche Aussagen auf Twitter verbreitet hat. Sie versuche, die Harry-Potter-Welt von der Haltung J. K. Rowlings zu trennen und distanziere sich ganz klar von den Aussagen der Schriftstellerin. Sie könne aber alle verstehen, die sagen, sie könnten das eben nicht trennen und deshalb auch der Harry-Potter-Welt den Rücken kehren.
Katha dagegen beschäftigen die Aussagen sehr und findet auch in den Büchern immer wieder Stellen, die die Haltung von J. K. Rowling widerspiegeln. Sie findet es wichtig, dass sie sich dessen bewusst ist. Seitdem schaut sie auf die Harry-Potter-Welt und die Bücher kritischer als früher.
Zu welchem Haus gehörst du?
Angie ist ganz klar Gryffindor, so heißt eines der Häuser in Hogwarts. Allen Schüler*innen, die in diesem Haus wohnen, werden die Eigenschaften Mut, Tapferkeit und Entschlossenheit zugeordnet. Dagegen ist Katha ganz klar Hufflepuff. Bei der Auswahl der Schüler*innen für das Haus Hufflepuff stehen keine besonderen Eigenschaften im Vordergrund, sondern die generelle Bereitschaft fleißig zu lernen und sich loyal gegenüber seinen Freund*innen zu verhalten. Hufflepuffs gelten als sehr treu und gerecht.
Katha ist erst spät in die Harry-Potter-Welt eingestiegen. Wenn das Wetter schlecht ist, zieht sie sich zu Hause die Filme rein, hört abends die Hörbücher, bäckt die Rezepte nach oder schaut sich Harry-Potter-Ausstellungen an.
"Zaubertränke würde ich gerne selber machen können."
Dass wir bis ins Erwachsenenalter uns von so einer magischen Welt angezogen fühlen, hängt damit zusammen, dass als Kinder diese Märchen und Geschichten lieben. Über Fantasiewelten entwickeln wir als Kinder unser Selbst, indem wir in diese Rollen schlüpfen oder sie spielen, sagt Psychotherapeutin Denise Ginzburg-Marku. Dieses Ausprobieren nicht realer Gestalten helfe uns dabei, unser Ich zu finden.
Zurück in die schöne Welt der Kindheit
Wenn wir dann als Erwachsene solche Bücher lesen oder Filme gucken, dann würde uns das in diese "schöne Zeit" zurückversetzen, meint Denis Ginzburg-Marku. Diese Sehnsucht als Erwachsene nach diesen magischen Welten bedeute, dass wir uns danach sehen, die "harte Realität" ein Stück weit verlassen zu können.
"Es ist ein Gegenpol zum Leben, zum Alltag und zu Ereignissen in der Realität."
Es gebe in unserem Alltag einfach vieles, was schwer wäre zu ertragen wie Krieg, Krankheit oder finanzielle Nöte. Diese magischen Welten versprechen uns ein Stück weit Trost, weil in dieser fiktiven Welt vieles einfacher erklärbar ist, sagt die Psychotherapeutin. "Das Gute besiegt das Böse." Es würden aber auch viele Themen angesprochen, die uns beschäftigen, wie Werte finden oder Freundschaften entwickeln.
So eine zeitweise Flucht aus dem Alltag wird aber dann schwierig, wenn jemand dadurch den Kontakt zur Realität verliert, sagt Denis Ginzburg-Marku. Dann sei es wichtig, sich zu fragen, warum diese Flucht dauerhaft sei und dazu führe, die sozialen Kontakte zu verlieren und seine Aufgaben in der Realität zu vernachlässigen.