Religiöse RitualeGrenzen der Toleranz
Um tolerant sein zu können, muss man erst einmal etwas ablehnen. Wer behauptet, alles tolerieren zu können, ist nihilistisch oder zynisch - so der Philosoph Markus Tiedemann.
Toleranz kommt von "erleiden, erdulden". Um etwas tolerieren zu können, müssen wir es erst einmal schlecht finden. Wenn wir behaupten, immer alles tolerieren zu können, sind wir entweder nihilistisch oder zynisch, sagt Markus Tiedemann.
"Ablehnung und Grenze sind notwendige Bestandteile des Toleranzbegriffs."
Aber was machen wir dann mit einem Begriff wie Multikulturalismus? Wie sähe ein selbstkritischer Multikulturalismus aus? Gerade bei religiösen Fragen wird es knifflig. Das erläutert Markus Tiedemann am Beispiel der Debatte um die Beschneidung.
"In einem Rechtsstaat kann Religiosität immer nur Selbstzuschreibung sein. Nie Fremdzuschreibung!"
Die Arbeitsgebiete von Markus Tiedemann sind genau solche Konflikte. Er ist Professor für Philosophiedidaktik an der Technischen Universität Dresden. Angehende Ethik- oder Philosophielehrer können bei ihm zum Beispiel Vorlesungen über die "Ethik der Migration" oder über Kant besuchen. Er schreibt Bücher, die ein junges Publikum für die Philosophie begeistern.
"Da haben wir die ultimative Grenze der Toleranz: die Menschenrechte."
Markus Tiedemann hat seinen Vortrag "Religiöse Rituale und die Grenzen der Toleranz. Philosophische Betrachtungen kontroverser Wertverständnisse" am 28. Januar 2017 im Rahmen der Tagung "Rituale in der Einwanderungsgesellschaft" im Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven gehalten.