HirnforschungWie wir lernen - Aufnahmekapazität steigt durch Input
Wenn die Festplatte unseres Rechners voll ist, kann sie logischerweise keine weitere Informationseinheit mehr speichern. Unser Gehirn arbeitet da ganz anders, erklärt der Lernforscher Manfred Spitzer in seinem Vortrag. Je mehr Input wir bekommen, desto größer wird die Aufnahmekapazität unseres Denkorgans.
Eine nur scheinbar widersprüchliche Kausalität. Doch das liegt daran, dass in unserem Kopf keine Trennung zwischen Speicherung und Verarbeitung wie beim Computer stattfindet. Das Gehirn funktioniert eher wie ein Muskel. Wer ihn trainiert, verbessert dauerhaft seine Leistungsfähigkeit - auf allen Gebieten. Wer jedoch schon im frühen Lebensalter dem Hirn keine Nahrung gibt, hinkt lebenslang hinterher. Der Lernforscher Manfred Spitzer macht das unter anderem am Wortschatz von Kindern deutlich.
"Bei Schuleintritt hat das Oberschicht-Kind 30 Millionen Wörter mehr gehört als das Unterschicht-Kind."
Solche Defizite könnten niemals mehr ausgeglichen werden. So wie man auch nicht mehr sprechen lernen könne, wenn man bereits 13 Jahre alt ist. Manfred Spitzer plädiert deshalb dafür, vor allem in die Kitas zu investieren, weil dort jeder Euro am besten angelegt sei.
In Kitas investieren
Dreijährige lernen so schnell und effektiv wie nie mehr sonst in ihrem Leben, meint Manfred Spitzer. Gerade im digitalen Zeitalter sei das von enormer Bedeutung. Wer sich beispielsweise in jungen Lebensjahren viel Wissen angeeignet habe, könne sich später viel sicherer im Internet bewegen.
"Je mehr Sie wissen, desto besser können Sie in dem Bereich, in dem Sie was wissen, googeln."
Andersherum: Wer sich wenig Wissen angeeignet habe und dann eine Suchmaschine verwende, komme mit den Ergebnissen im Netz nicht klar. Er könne dann nicht zwischen wahren und falschen Tatsachenbehauptungen unterscheiden. Nur das bereits Erlernte führe uns recht sicher durch den Pfad des digitalen Dschungels.
Lernforscher Spitzer gegen Digitaloffensive an Schulen
So plädiert der Lernforscher Manfred Spitzer für eine nicht-digitale Wissensvermittlung in Grundschule und Kitas und favorisiert die klassische Bildung. Die Digitaloffensive von Bund und Ländern quittiert er mit den Worten: "Sind wir denn alle wahnsinnig geworden?"
Wegen der noch nicht ausgereiften Hirnstrukturen würden die Noten gerade der schwächeren Schüler dadurch deutlich nach unten gehen. Er beruft sich dabei auf mehrere Studien und Erfahrungen aus anderen Ländern.
Der Vortrag
Der Psychiater und Lernforscher Manfred Spitzer war am 9. Oktober 2019 als Redner zu Gast am Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim, kurz Technoseum. Sein Vortrag trug den Titel: "Genial im Gehirn – wie geht das?"
Manfred Spitzer ist Lehrstuhlinhaber an der Universität Ulm und zugleich Ärztlicher Direktor des dortigen Universitätsklinikums. Seine These, dass die Digitalisierung der Schulen vor allem die schwächeren Kinder immer dümmer mache, untermauert er mit vielen Daten und Fakten.
Andere Wissenschaftler widersprechen Manfred Spitzer. Offenbar lässt sich augenblicklich noch nicht abschließend klären, wie Handys, Tablets und Rechner die Gehirnstrukturen junger Menschen genau beeinflussen.