Hinrichtung im IranWas sich Enissa Amani jetzt von Deutschland wünscht
Die Hinrichtung von Djamshid Sharmahd war für die deutsch-iranische Community ein Schock, sagt Comedienne Enissa Amani. Sie selbst will sich weiterhin politisch äußern. Politologe Ali Fathollah-Nejad kritisiert die Bundesregierung, zu wenig für den deutschen Staatsbürger getan zu haben.
2020, Frankfurt Flughafen. Geschäftsmann Djamshid Sharmahd, sowohl iranischer als auch deutscher Staatsbürger, begibt sich auf Geschäftsreise. Er will nach Mumbai, Indien fliegen. Doch dort kommt er nie an. Bei seiner Zwischenlandung in Dubai verliert sich seine Spur. Irgendwann ist klar: Er wurde vom iranischen Geheimdienst entführt und sitzt in der Islamischen Republik im Gefängnis. Das iranische Regime macht den 69-Jährigen für einen Terroranschlag verantwortlich.
Sharmahds Tochter geht an die Öffentlichkeit, berichtet vom Schicksal ihres Vaters. Doch weder ihre noch die internationalen Appelle zeigen Wirkung. Nach einem langen Schauprozess wird Djamshid Sharmahd iranischen Angaben zufolge am 28.10.2024 in Teheran hingerichtet.
Die Frage nach dem Schutz deutscher Staatsbürger
Nach der Hinrichtung werden harte Konsequenzen gefordert. "Warum gab es diese so nicht schon vor zweieinhalb Jahren?", fragt seine Tochter Gazelle Sharmahd in einer Talkshow. Nachdem Enissa Amani von der Hinrichtung erfahren hatte, schrieb sie Gazelle Sharmahd. Die beiden Frauen kennen sich durch ihren Aktivismus und die deutsch-iranische Community. Auch deshalb fühlen sich Nachrichten wie diese besonders nah an, sagt Enissa Amani. Und gleichzeitig irgendwie gewohnt.
Seit ihrer Kindheit kennt die im Iran geborene und in Deutschland aufgewachsene Comedienne solche Nachrichten. "Immer wieder heißt es, dieser Schriftsteller wurde hingerichtet oder die Oppositionellen. Es ist immer das Gleiche und es ist immer die gleiche Wut", sagt sie. Aber im Fall Djamshid Sharmahds kommt noch etwas anderes hinzu: Denn der Mann war auch deutscher Staatsbürger. Und Deutschland hat seine Hinrichtung nicht verhindert.
"Das sind Mörder, die dort an der Macht sind. Und dann wünscht man sich eben von der internationalen Gemeinschaft einen anderen Umgang."
Enissa Amani hätte sich von Deutschland einen "viel, viel härteren Umgang mit dem Iran gewünscht", sagt sie. Denn angesichts des Ergebnisses sehe man nun, dass der Weg, der von der deutschen, aber auch internationalen Politik gewählt wurde, nicht effektiv genug war.
Massive Kritik am Vorgehen der Bundesregierung
Am 31. Oktober 2024 hat die Bundesregierung die drei iranischen Generalkonsulate in Frankfurt, München und Hamburg geschlossen.
Den Weg, den die deutsche Bundesregierung im Fall Djamshid Sharmahd zuvor eingeschlagen hatte, nennt sich "stille Demokratie". Ali Fathollah-Nejad ist Direktor des Center for Middle East and Global Order und erklärt, was darunter zu verstehen ist: "Das meint, dass sich die Politik öffentlich eher bedeckt hält, den Namen der Gefangenen weniger oft nennt, stattdessen über leise diplomatische Kanäle mit Teheran verhandelt. Das bedeutet allerdings auch, dass nicht bekannt ist, was die deutsche Seite versucht oder eben nicht versucht hat", macht der Politikwissenschaftler klar.
Laut Ali Fathollah-Nejad hätten mehr Mittel zur Verfügung gestanden, um Druck auszuüben – darunter das Abziehen aller europäischen Botschafter sowie die Reaktivierung des Atomdeals über die Aktivierung des sogenannten Snapback-Mechanismus. Das ist der Teil des Atomdeals, der seit 2015 zwischen den fünf Vetomächten der UN, Deutschland und dem Iran gilt. Bricht ein Staat den Vertrag – in diesem Falle der Iran – kann jeder Vertragspartner, also auch Deutschland, den Mechanismus aktivieren und die Sanktionen würden wieder gelten. Die Tatsache, dass der Iran sein Atomprogramm hochgefahren hat, hätte als Vertragsbruch gesehen werden können, argumentiert Ali Fathollah-Nejad.
"Obsession mit dem nuklearen Deal"
Doch nichts davon wurde getan. Der Grund dafür liegt in der "Obsession mit dem nuklearen Deal", so Ali Fathollah-Nejad wörtlich. Man sei gegenüber Teheran sehr zurückhaltend gewesen, weil man dachte, dass die iranische Seite ebenfalls Wohlwollen zeigen würde. Am Ende sei das Gegenteil passiert.
"Die stille Diplomatie wird bei den Machthabern in Teheran als Zeichen der Schwäche, wenn nicht gar Indifferenz gesehen."
Die Tatsache, dass Europa oder Deutschland nicht mehr tun, um eine Exekution einer ihrer Staatsbürger im Iran zu verhindern, sieht Ali Fathollah-Nejad als fatales Signal für die Menschen im Iran und für iranische Communities im Ausland. Es ermögliche dem Iran Drohgebärden nach dem Motto: Selbst wenn wir euch hinrichten – dafür interessiert sich niemand.
Angst als dauerhafter Begleiter
Deutsch-Iraner*innen haben längst ihr Verhalten angepasst und reisen zum Teil seit Jahren nicht mehr in den Iran oder in die Nachbarstaaten – so auch Enissa Amani. Die Angst ihres Vaters, die Enissa Amani schon als Kind mitbekam – er wollte nicht mal in der Türkei Urlaub machen – kann Enissa Amani inzwischen viel besser nachvollziehen. "Das ist nicht nur ein Trauma, das er hat. Es ist eine sehr reale Angst."
Gleichzeitig betont Enissa Amani, dass sie Verständnis für diejenigen hat, die nicht auf die Straße gehen und das Regime nicht kritisieren. Weil sie sich die Chance nicht nehmen lassen wollen, zurück in den Iran reisen zu können, um beispielsweise ihre sterbende Oma ein letztes Mal zu sehen. Für sich selbst hat Enissa Amani eine andere Entscheidung getroffen: "Die Tatsache, dass ich eine öffentliche Person bin, bringt für mich die Verantwortung mit sich, Dinge zu benennen."