HeimwehWarum es uns nach Hause zieht
Sarah wollte ab Oktober für ein halbes Jahr in Südamerika herumreisen und hat vor kurzem wegen Heimweh abgebrochen. Wie genau Heimweh zustande kommt und wie wir mit dem Gefühl gut umgehen können, weiß die Psychologin Main Huong.
"In dem Moment, als ich wieder Zuhause angekommen bin, ging es mir ein Stück besser", sagt Sarah aus Österreich. Am ersten Abend habe sie mit ihrem Freund und der Familie Raclette gegessen mit österreichischem Käse, da sei das Heimatgefühl direkt wieder da gewesen. Dabei hatte Sarah eigentlich andere Pläne – sie hatte sich schon ewig darauf gefreut, sechs Monate lang mit einer Freundin auf Südamerikatour zu gehen.
"Am ersten Abend habe ich mit meinem Freund und meiner Familie Raclette mit gutem österreichischen Käse gegessen. Da war das Heimatgefühl direkt wieder da."
Das Gefühl, weit weg von daheim zu sein, war für Sarah eigentlich nicht neu. Während ihres Studiums hat sie mehrere Semester im Ausland verbracht. In Südamerika war es aber irgendwie anders, erzählt sie. Bereits nach zwei Wochen sei das Gefühl in ihr hochgekommen, die Reise abzubrechen. Vor allem habe sie die Berge und die Zeit mit der Familie und Freunden vermisst.
Bauchgefühl: Rückflug nach sechs Wochen
Buenos Aires war der Startpunkt der Südamerikareise, danach ging es weiter nach Uruguay zum Surfen, sagt Sarah. Zwischendurch habe es zwar auch schöne Momente gegeben, aber die fehlende Privatsphäre in den Hotels, die schlechten Kochmöglichkeiten und das ständige Unterwegssein habe ihr mehr zugesetzt als gedacht.
"Ich hatte tatsächlich so ein bisschen Bauchweh und -kribbeln. Und ich sage die ganze Zeit zuhause, ich muss auf mein Bauchgefühl hören."
Patagonien war Sarahs letzte Station vor der Heimreise. Die Region sei ein Lebenstraum von ihr gewesen und da wollte sie auf jeden Fall noch hin. Nach sechs Wochen ging es dann zurück in die Heimat. Zuhause sagt sie immer, dass sie auf ihr Bauchgefühl hören müsse, erzählt Sarah – und so hat sie das dann eben auch in Südamerika gemacht: "Ich hatte tatsächlich so ein bisschen Bauchweh und -kribbeln."
Mit ihrer Freundin, die in Südamerika geblieben ist und alleine weiterreist, habe sie sich sehr gut über ihre Entscheidung austauschen können. Unterstützung gab es auch aus dem familiären Umfeld. Dass Sarah erneut nach Südamerika fliegt, ist auch nicht ausgeschlossen, sagt sie – dann vielleicht aber als einzelne Reise oder anders geplant.
Heimweh – eine Form von Trauer
"Heimweh ist im Grunde genommen eine Form von Trauer, ein Gefühl, dass die Sehnsucht oder auch das Unbehagen bei Menschen bezeichnet, die außerhalb ihrer gewohnten Umgebung sind", sagt die Psychologin Main Huong. Das Gefühl gehe oft einher mit Gedanken an die Familie, an Freunde und andere vertraute Personen. Oder an eine gewohnte Umgebung und den damit verbundenen Objekten und Aktivitäten.
"Heimweh ist im Grunde genommen eine Form von Trauer, ein Gefühl, dass die Sehnsucht oder auch das Unbehagen bei Menschen bezeichnet, die außerhalb ihrer gewohnten Umgebung sind."
Beim Heimweh können biografische Erfahrungen eine Rolle spielen. Doch lassen sich keine pauschalen kausalen Schlüsse ziehen – etwa dass jeder Mensch mit Heimweh auch ein hohes Sicherheitsbedürfnis hat oder so.
Heimwehgefühle nicht unterdrücken
Wie andere Gefühle, die ein bestimmtes Bedürfnis signalisieren, sollten wir auch Heimweh nicht unterdrücken. Heimweh ist ein Gefühl, das völlig normal ist und das in uns aufkommen kann und darf, so die Psychologin. Wenn das Gefühl einen stark überkomme und einnehme, dann sei Selbstfürsorge sehr wichtig.
"Was helfen kann: Dass man das Gefühl nicht unterdrückt, wenn es dann kommt. So wie alle Gefühle möchten sie uns ja ein bestimmtes Bedürfnis signalisieren."
Auf Reisen zum Beispiel könne es helfen, mit der Familie zu telefonieren, aber auch Briefe an Freude und Freundinnen zu schreiben. Damit gehen wir einerseits in die Verbundenheit, schaffen uns aber auch ein Gefühl von Vertrautheit. Weit weg von Zuhause kann es auch helfen, sich das Gefühl von Vertrautheit neu zu schaffen – etwa durch den Kontakt mit anderen Menschen oder indem wir uns neues Lieblingskaffee suchen, so die Psychologin.
Nicht selten wird Heimweh auch mit Einsamkeit gleichgesetzt. Das treffe aber nur bedingt zu, sagt Main Huong. Zum Beispiel können uns Momente, die wir eigentlich als schön empfinden, zugleich auch etwas stressen und uns durchaus verunsichern. In solchen Momenten neigten wir eher dazu, Heimweh zu fühlen – da dieses Gefühl für Sicherheit und Geborgenheit steht.